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    Gelassenheit, Psychologie
    Schuldgefühle vs. Verantwortung
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    Wenn wir jemanden enttäuscht haben, eine Verabredung vergessen, im Streit verletzende Dinge gesagt haben oder eine Beziehung in die Brüche gegangen ist, empfinden die meisten von uns anschließend Schuldgefühle. Manchmal ist das schlechte Gewissen fast schon ein vertrautes Gefühl, das in bestimmten Kontexten und bei bestimmten Menschen auftaucht. Dann können die Schuldgefühle und Selbstvorwürfe zu einer fast schon automatisch auftretenden inneren Stimme werden, die uns niederdrückt.

    Schuldgefühle sind subjektiv, d.h. wie häufig und wie intensiv sie auftreten, ist individuell verschieden. Zwei Menschen in der völlig gleichen Situation können sehr unterschiedlich reagieren und Schuldgefühle entwickeln oder nicht. Wenn sie jedoch wiederholt auftreten, können sie die Gesundheit beeinflussen: Sie können Gereiztheit, Kopfschmerzen oder Magendruck auslösen, oder sogar Ängste und Depression mitverursachen.

    Wie entstehen Schuldgefühle?

    Schuldgefühle entstehen meistens durch hohe innere Ansprüche an sich selbst. Beispielsweise weil man ein guter Sohn/eine gute Tochter (ideale Ehepartner*in, Freund*in, Mutter, Vater etc.) sein möchte. Immer wenn wir den von uns selbst erhobenen Ansprüchen nicht genügen, kann das schlechte Gewissen einsetzen.

    Eine Frage, die wir uns in solchen Momenten auch stellen können, ist: Welches innere Gebot habe ich gebrochen? Denn häufig haben wir früher einmal innere Regeln aufgestellt, an die wir uns immer unbewusst noch halten, wie beispielsweise: "ich darf mich nicht in den Vordergrund stellen", "ich darf nicht faul sein", oder "die Gefühle der anderen Person sind wichtiger als meine". Wenn wir diese inneren Regeln brechen, setzen Schuldgefühle automatisch wie ein Alarmsignal ein. Sie können ein Hinweis auf erlernte Gesetze sein, die wir heute jedoch hinterfragen können.

    Was ist der Zweck von Schuldgefühlen?

    Früher haben uns solche inneren Regeln vielleicht einmal gut geholfen, eine Situation zu überstehen. Schuldgefühle treten in Beziehungen auf und haben oft eine soziale Funktion: Sie zeigen an, dass wir gegen eine soziale Regel verstoßen haben (diese kann objektiv sein oder auch nicht) und dass wir etwas verändern oder wiedergutmachen müssen, mit dem Ziel, die Beziehung zu stärken.

    Daneben schützen uns Schuldgefühle häufig noch vor einem anderen Gefühl, das für die meisten Menschen schwer zu ertragen ist: dem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Für viele ist es tatsächlich leichter, sich schuldig zu fühlen - da es impliziert, dass wir noch Einfluss haben, etwa tun könnten oder zumindest hätten tun können ("es ist meine Schuld, dass ich etwas getan oder unterlassen habe"). Hilflosigkeit dagegen ist verbunden mit dem Gefühl, handlungsunfähig zu sein und nichts mehr tun zu können - eines der schwierigsten menschlichen Gefühle.

    Wie lassen sich Schuldgefühle überwinden?

    Paradoxerweise lassen uns Schuldgefühle jedoch ebenso in einer Position der Hilflosigkeit verharren: Wir nehmen die Hauptlast der Schuld auf uns, werten uns dafür ab und bleiben gefangen in der Sichtweise, nichts tun zu können, um die Situation zu verändern. Die Schuldgefühle weisen uns nicht den Weg hinaus aus dem Konflikt. Wir können jedoch wieder in eine verantwortungsvolle, reife Position wechseln und uns überlegen, welche Schritte notwendig sind.

    1. Das schlechte Gewissen hinterfragen: Der erste Schritt sollte sein, die Situation genauer wahrzunehmen und sich zu fragen, was man glaubt, "falsch" gemacht zu haben. Was hätte ich objektiv besser/anders machen können? Welchen meiner Werte bin ich nicht gerecht geworden? Gegen welche inneren Gesetze habe ich verstoßen? Bei diesem Schritt ist es gut, ehrlich zu sich selbst zu sein, aber auch so objektiv wie möglich zu fragen, was man wirklich unter den gegebenen Umständen hätte tun können.

    2. Die Verantwortung akzeptieren: Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir anders hätten handeln können und dass unser Verhalten falsch war, können wir das im nächsten Schritt vor uns selbst akzeptieren. Verantwortung für das eigene Fehlverhalten zu übernehmen, bringt uns selbst einen Riesenschritt heraus aus der Negativspirale der Schuldgefühle und dem Gefühl der Hilflosigkeit - zurück in einen Zustand der Kontrolle. Wir können sowohl etwas tun, um die Situation zu verbessern, z.B. auf die andere Person zugehen, und werden auch wieder frei voranzuschreiten und nehmen Einfluss auf unsere eigenen Gefühle.

    3. Bei objektiver Schuld - gibt es etwas wiedergutzumachen? Wenn wir jemanden verletzt oder einen Schaden verursacht haben, sollten wir überlegen, wie wir Wiedergutmachung leisten können. Was braucht es in der Situation (was braucht die andere Person), um das Geschehene zu lindern oder zu reparieren? Ist eine Entschuldigung angebracht oder können wir konkret etwas leisten, um den Schaden auszugleichen? Auch: Was wollen wir verändern, damit die Situation sich in Zukunft nicht wiederholt?

    4. Wie viel Verantwortung trage ich? - der Schuldkuchen Eine gute Übung ist, die verschiedenen Faktoren, die zu der Situation beigetragen haben, in ein Torten-Diagramm zu übersetzen. Auf ein Blatt Papier wird ein Kreis gemalt, in den verschieden große Teile ("Kuchenstücke") eingetragen werden. Diese spiegeln die verschiedenen Umstände, Voraussetzungen, beteiligte Personen etc., die vermutlich mit zu der Situation geführt haben. Auch der eigene Anteil wird eingetragen. Durch die Visualisierung wird klarer, dass immer mehrere Faktoren beteiligt sind und wie groß der eigene Einfluss gewesen ist.

    5. Grenzen setzen. Wenn wir bemerken, dass die innere Stimme, die uns Schuld zuweist, sehr dominant ist und auf früheren Erfahrungen beruht, kann es auch angebracht sein, nur den Teil anzunehmen, für den man wirklich verantwortlich ist, und ganz bewusst den Anteil, den man nicht beeinflussen konnte, loszulassen. Es kann bedeuten, innerlich die Kontrolle über diesen Teil abzugeben. Das kann sehr erleichternd sein. Sind die alten Gebote immer noch angemessen? Oder wäre es besser, aus einer reifen Position heraus neue Grenzen zu setzen?

    6. Mitgefühl - sich selbst und anderen verzeihen. Vielleicht der stärkste Punkt von allen im Umgang mit Schuldgefühlen ist, mich sich und anderen mitfühlend zu sein. Sich selbst auch als Menschen zu sehen, der Fehler und Schwächen hat und der wahrscheinlich nicht die Absicht hatte, jemandem zu schaden. Wie würden wir über unsere*n beste*n Freund*in denken, wenn er/sie in der gleichen Situation wäre? Würden wir ihm/ihr gegenüber verständnisvoll und mitfühlend sein? Und wenn wir selbst verletzt wurden: Können wir das gleiche Mitgefühl auch der anderen Person schenken?

    Diese Aspekte sind als Anregungen zu verstehen, wie wir das schlechte Gewissen überwinden und zu mehr (Selbst-)Verantwortung finden können. Ich wünsche dir einen wertfreien Blick auf dich und andere und viel innere Gelassenheit.

    08. August 2024

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