Emotionale Kompetenzen II: Wohin mit der Wut?
„Ich bin so wütend, dass ich laut schreien könnte“, „Vor lauter Wut sehe ich dann nur noch rot“, „Wenn die Wut in mir hochsteigt, fühlt es sich an, als würde gleich ein Vulkan ausbrechen“. Solche und ähnliche Reaktionen kennen viele von uns – und nicht selten haben wir Angst davor und versuchen in solchen Momenten, die Wut herunter zu schlucken und zu unterdrücken. Wir befürchten, dass etwas Katastrophales passieren würde, wenn wir unserer Wut Ausdruck verleihen. In unserem Kulturkreis zählt die Wut zu den „negativen“ Emotionen, die gesellschaftlich weniger erlaubt sind.
Dabei hat die Wut – ebenso wie die Angst – eine wichtige Signalfunktion, die uns unterstützen soll. Die Wut zeigt uns an, dass unsere Grenzen überschritten werden. Jemand hat etwas gesagt, das uns verletzt – und wir reagieren wütend. Eine Person kommt uns zu nahe und wirkt bedrohlich auf uns – sofort werden wir wütend und verteidigen unseren Raum. Aus der Perspektive unserer steinzeitlichen Vorfahren betrachtet, bedeutet es nichts anderes, als das Signal, dass jemand von außen unser Territorium angreift und wir gut daran tun, uns davor zu schützen. Und noch eine Funktion hat die Wut: Wir setzen sie ein, um für unsere Bedürfnisse einzustehen.
Trotzdem gilt auch hier, dass wir nicht jedes Mal vor Wut platzen können oder auf unser Gegenüber losgehen sollten, wenn jemand unseren Grenzen zu nahe kommt. Stattdessen hilft es uns, wenn wir Wege finden, unsere Wut anzuerkennen und einen guten Umgang mit ihr zu finden. Ebenso wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir nicht nur lernen, unsere Wut zu regulieren und sie nicht in allen Situationen ungefiltert herauszulassen – sondern dass wir zudem lernen, wie wir unsere Wut angemessen ausdrücken können. Beide Aspekte sind angesprochen, wenn es um emotionale Kompetenz geht. Die Hauptfragen lauten also: Wohin mit meiner Wut? Und: Wie zeige ich meine Wut angemessen in Situationen, in denen es wichtig ist?
Wut hat ebenso eine konstruktive, schöpferische Seite
Wut ist eine sehr nützliche und sogar notwendige Energie, wenn wir uns in einer Situation behaupten müssen, beispielsweise in Diskussionen oder wenn sich jemand uns gegenüber ungerecht verhält etc. Dann kommt es wieder darauf an, die Wut in einem für uns guten Maß zu zeigen; das heißt, dass wir nicht überschäumen vor Wut, sie uns aber auch nicht generell verbieten und uns wiederholt anderen unterwerfen. Wut als konstruktive Kraft kann sich beispielsweise in der Leidenschaft für eine Sache zeigen, im Einsatz für Gerechtigkeit, im Dranbleiben an einer wichtigen Aufgabe, in der Kraft und in dem Mut etwas zu Verändern. Dafür braucht es oft auch eine gewisse Wut.
Oft wird befürchtet, die Wut könne schnell in Aggression umschlagen; wir könnten die Kontrolle verlieren und dadurch uns selbst und anderen schaden. Bei einer deutlich überhöhten Dosis stimmt das auch – allerdings gilt das für fast jedes Gefühl und jeden Zustand. Aggressivität hat sowohl eine zerstörerische, als auch eine schöpferische Seite. Das bedeutet, wir können Wut ebenso wie Aggressivität sowohl einsetzen, um damit etwas Neues zu schaffen, als auch dafür, etwas zu zerstören. Im besten Fall entsteht daraus neues Wachstum und Lebendigkeit.
Und noch ein Wort zur unterschiedlichen Bewertung von Wut bei Männern und Frauen: Während Wut bei Jungen und Männern weitaus mehr anerkannt und akzeptiert wird, unterdrücken Frauen ihre Wut sehr viel häufiger und sie wird bei ihnen weitaus seltener akzeptiert. Frauen haben oft viel weniger Wege erlernt, um ihre Wut herauszulassen und zu zeigen, und wenn sie es tun, werden sie häufig dafür kritisiert.
Welche Möglichkeiten gibt es nun aber, um unsere Wut angemessen umzugehen bzw. sie zu zeigen?
Für einen angemessenen Umgang mit Wut
1. Der erste Schritt ist immer, innezuhalten und die Wut wahrzunehmen. Zugegeben ist das beim Umgang mit Wut oft leichter gesagt als getan, weil die Wut oft auch plötzlich, als schnelle Reaktion auftaucht. Gerade dann kann es helfen, wenn Sie ein gutes Frühwarnsystem entwickeln, indem Sie beobachten, welche ersten Anzeichen bei Ihnen die Wut ankündigen (Herzklopfen, Enge im Hals, geballte Hände o.ä.). Manchmal genügt es schon, die Wut zu bemerken und sozusagen zu begrüßen: „Aha, etwas in mir ist wütend.“
2. Ähnlich wie bei der Angst hilft es auch bei der Wut, wenn Sie bemerken, dass ein Teil von Ihnen zwar wütend ist (Partialisieren), sich aber bewusst sind, dass Sie gleichzeitig noch andere Seiten und Eigenschaften besitzen, die Ihnen vielleicht sogar helfen, in der Situation gut reagieren zu können. Wenn Sie Ihre Wut nur als einen Teil von sich wahrnehmen, machen Sie sich selbst damit größer als das Gefühl. Vielleicht hat Ihnen ja zum Beispiel Ihre humorvolle Seite schon oft geholfen, in der Situation zu entspannen.
3. Mit dem Innehalten kann auch eine weitere Möglichkeit im Umgang mit der Wut verbunden werden: Unterbrechen Sie Ihr übliches Reiz-Reaktions-Schema! Sobald Sie merken, dass die Wut in Ihnen hochsteigt, legen Sie bewusst eine Pause ein und steigen Sie aus der Situation aus, zum Beispiel indem Sie das Gespräch vertagen, die Situation ganz verlassen oder indem Sie sich bewusst dafür entscheiden, etwa anderes zu tun. Gehen Sie spazieren oder zählen Sie langsam bis zehn! Alles, was Sie entspannt und Ihre übliche Reaktion unterbricht, ist erlaubt.
4. Wertschätzen Sie Ihre Wut! Oben im Text habe ich erläutert, dass die Wut immer auch eine Funktion hat, die Sie unterstützt bzw. die Ihnen etwas Gutes will. Wenn Sie Ihre Wut in einem entspannten Zustand betrachten: Gibt es etwas daran, das positiv ist und das Ihnen in einigen Situationen auch geholfen hat? Gibt es auch etwas, das Ihnen an Ihrer Wut gefällt, das Sie vielleicht sogar mögen? Falls Sie etwas finden, wertschätzen Sie es und freunden Sie sich mit diesen Aspekten an.
5. Lokalisieren Sie die Wut in Ihrem Körper. Zur Wahrnehmung und zum Anerkennen der Wut kann auch gehören, dass Sie das Gefühl zunächst einmal in Ihrem Körper selbst fühlen. Wo im Körper spüren Sie die Wut? Welche Größe hat sie in diesem Bereich? Welche Qualität besitzt sie? Hat die Wut eine Farbe? Indem Sie die Wut körperlich genauer eingrenzen und beschreiben, erforschen sie sie auch und machen sich mit ihr vertraut. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Wut richten, findet manchmal schon eine kleine Veränderung statt.
6. Die Wut kanalisieren. In der Wut steckt auch eine starke Energie, die Sie für sich nutzen können, indem Sie sie umlenken. Statt sich auf das Gegenüber zu konzentrieren und sich maßlos über die andere Person aufzuregen oder sie sogar zu attackieren, entscheiden Sie sich bewusst, die Energie für andere Dinge einzusetzen. Sie können zum Beispiel die Energie in Ihren Lieblingssport einbringen, in den Frühjahrsputz Ihrer Wohnung oder kämpfen Sie leidenschaftlich für eine gerechte Sache – Hauptsache, die Energie fließt dahin, wo es für Sie Sinn macht und sich gut anfühlt.
7. Eine der einfachsten und wirksamsten Methoden, damit die Wut sich entladen kann, ist Bewegung. In Bewegung und bei allen möglichen Sportarten lassen sich Stress und eben auch Wut sehr gut abbauen; Sie können Sie sogar gezielt nutzen, um mehr Kraft oder Schnelligkeit zu entwickeln und setzen dabei neue Energie frei. Meistens entstehen im Anschluss daran verstärkt positive Gefühle und Sie fühlen sich insgesamt wohler. Meine Lieblingsmethode ist das Laufen, aber auch Kickboxen, Schwimmen oder Tanzen sind erlaubt. ;-)
8. Sport ist eine Methode, um Entspannung zu erreichen – und im entspannten Zustand sind Sie selten wütend. Weitere Möglichkeiten, um im richtigen Moment Entspannung abrufen zu können, können unter anderem sein: Autogenes Training, Tai Chi, Meditation, beruhigende Selbstgespräche oder… Finden Sie Ihre eigene Methode, mit der Sie bei Herausforderungen am besten entspannen können!
9. Manchmal hilft aber auch ein klares Wort, das ich an mein Gegenüber richte, damit ich mich wohler in der Situation fühle. Dann geht es darum, klarer Grenzen für mich zu setzen, meine Bedürfnisse zu artikulieren und zu lernen, meine Wut in einem guten Maß auszudrücken. Vielleicht erfordert es etwas Übung, mutig zu sein und etwas zu sagen oder die richtigen Worte zu finden. Mir fällt es am leichtesten, wenn ich ausspreche, was für mich okay ist, und was nicht.
10. Das gelingt ebenfalls am besten, wenn ich nicht im Moment des größten Ärgers mein Gegenüber konfrontiere, sondern wenn ich auch da innehalte und etwas Zeit verstreichen lasse. Oft haben sich Missverständnisse und Ärger/Wut mit etwas Abstand besser lösen lassen, wenn ich in Ruhe das Gespräch suche. Vor allem bei Menschen, an denen mir etwas liegt, lohnt es sich, kurze Zeit später auf sie zuzugehen und bei Ihnen nachzufragen, wie sie es wahrgenommen haben, und ihnen mitzuteilen, wenn mich ihr Verhalten verletzt oder geärgert hat.
Jetzt sind Sie an der Reihe: Welche der Möglichkeiten im Umgang mit Wut gefällt Ihnen am besten und können Sie sich vorstellen auszuprobieren? Welche eigenen Strategien haben Sie vielleicht schon entwickelt? Ich wünsche Ihnen einen möglichst entspannten Umgang mit Ihrer Wut!
Emotionale Kompetenzen I: Umgang mit Angst
Das Ziel im Leben ist es, all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen. Was auch immer sich uns offenbart, es ist das Leben, das sich darin zeigt, und es ist immer ein Geschenk, sich damit zu verbinden. (Marshall B. Rosenberg)
Kein Thema betrifft den Menschen so unmittelbar wie der Umgang mit den eigenen Gefühlen. Von einer lähmenden Angst oder Furcht, zu ohnmächtiger Wut, einem Meer der Traurigkeit bis hin zu übersprudelnder Freude… erleben wir von unserer Kindheit an eine große Bandbreite unterschiedlicher Emotionen und Gefühle. Nicht immer fällt es uns leicht, unsere Gefühle anzunehmen, sie offen zu zeigen oder auch in angemessener Weise zu regulieren. Das Erleben intensiver Gefühle kann uns Angst machen und einige Emotionen sind gesellschaftlich eher erlaubt als andere.
Gefühle einfach wegzudrücken kann nicht der beste Weg sein, mit ihnen umzugehen; andererseits können wir sie auch nicht ständig ungefiltert zeigen. In unserer Kindheit haben wir meist einen bestimmten Umgang mit Gefühlen erlernt, der uns auch später noch erhalten bleibt – der aber nicht immer unbedingt förderlich für uns ist. Mehr Emotionale Intelligenz (und Kompetenz) zu entwickeln, bedeutet einen Umgang mit Emotionen zu finden, der uns mehr unterstützt und die Kraft, die in unseren Gefühlen steckt, besser freisetzt.
Ich möchte dem konstruktiven Umgang mit Gefühlen und der Entwicklung von emotionaler Kompetenz eine eigene Blog-Serie widmen, die sich mit den Grundformen der Gefühle und ihrer jeweiligen Funktion beschäftigt, sowie mit der Frage nach einem angemessenen Umgang mit den Emotionen. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die Basis-Emotionen Angst, Trauer, Wut, und Freude, die zu den big six gehören, die 1872 erstmals von Charles Darwin hervorgehoben und erforscht wurden. Die Artikel zielen dabei nicht auf Vollständigkeit, sondern sind als einführende Gedanken zu verstehen.
Welche Funktion hat die Angst?
Die erste Funktion der Angst ist, uns in Alarmbereitschaft zu versetzen. Steinzeitlich betrachtet war es für unser Überleben wichtig, dass wir angemessen und schnell auf eine drohende Gefahr reagieren konnten. Das heißt in frühen Zeiten mussten wir, wenn ein Tiger auf uns zukam blitzschnell reagieren, um nicht gefressen zu werden. Die typischen Reaktionen waren fight, freeze or flight; wir mussten in Sekundenschnelle entscheiden, welche davon wir wählen, ob es die beste Lösung für uns war, zu kämpfen, zu erstarren (uns zu unterwerfen) oder zu flüchten.
Zwar leben wir nicht mehr in der Steinzeit, dennoch haben sich diese frühen Überlebensmuster tief in uns eingegraben und fast jeder kennt den Impuls, in einer Situation, die uns ängstigt, zu fliehen oder in den Angriff überzugehen. Bis heute sichern wir damit unser Überleben bzw. erkennen und meistern wir damit für uns bedrohlich erscheinende Situationen. Schwierig wird es nur, wenn wir diese Reaktionsmuster immer wieder in Situationen anwenden, die wir als bedrohlich für uns wahrnehmen, die in Wirklichkeit aber für uns händelbar sind; wenn wir zum Beispiel immer flüchten, wenn es für uns schwierig wird. Nicht immer stehen wir vor einem vermeintlichen Tiger.
Grundformen der Angst
In einem früheren Beitrag habe ich bereits auf die vier Grundformen der Angst nach Fritz Riemann hingewiesen, die ich hier nur verkürzt benennen möchte. Jeder Mensch hat diesem Modell zufolge die Tendenz zu einer dieser Grundängste, und es gehört zu seiner Lebensaufgabe, einen guten Umgang damit zu erlernen. Diese vier Grundformen sind: die Angst vor der Hingabe (entspricht der Existenzangst), die Angst vor der Selbstwerdung (oder Trennungsangst), die Angst vor Veränderung (Angst vor Schuld und Strafe) und die Angst vor der Notwendigkeit (Angst vor Minderwertigkeit).
Dazwischen gibt es eine ganze Reihe individueller Ängste, die auf den jeweiligen Erlebenskontext bezogen sind – wie zum Beispiel, die Angst vor dem Scheitern, die Angst vor der Höhe, Angst davor, sich zu blamieren – die sich jedoch häufig auf eine der vier Grundformen der Angst zurückbeziehen lassen. Spannend ist, diese Formen der Angst nicht als Fehler oder Schwäche anzusehen, sondern als Möglichkeit zur Entwicklung zu begreifen. Die Ängste müssen auch keineswegs pathologisch sein! Dagegen kann es sehr aufschlussreich sein, sich selbst zu fragen, zu welcher Angst man häufig tendiert.
Mit der Angst, statt dagegen
Wie aber lässt sich der Angst gut begegnen? Wie kann sie angemessen gefühlt und womöglich auch gezeigt werden? Sicher hat jeder schon seine eigenen Strategien im Umgang mit Angst entwickelt und dabei hoffentlich erfahren, dass die Angst dadurch kleiner und handhabbarer geworden ist. Bestimmte Schritte helfen besonders gut im Umgang mit der Angst:
Erste Hilfe bei der Bewältigung von Angst ist oft, die Angst in Teilschritte zu zerlegen, sowie sie als Teil von mir statt als Ganzes, mit dem ich mich identifiziere, wahrzunehmen (zu partialisieren). Meist gelingt es leichter, zunächst einen kleinen Schritt in Richtung dessen zu machen, was mir Angst macht, statt gleich komplett etwas zu tun, vor dem ich Angst habe. Auch die Erkenntnis, dass ich nicht meine Angst bin, sondern nur etwas in mir gerade ängstlich ist, ich selbst aber größer als dieser Teil bin, hilft, die Angst auf ein geringeres Maß zu schrumpfen.
Im Prinzip geht es im ersten Schritt immer darum die Angst einfach wahrzunehmen; mir bewusst zu machen, dass ich gerade Angst habe. Im besten Fall kann ich es freundlich wahrnehmen; es ist auch okay, wenn ich gerade Angst habe. Wenn ich meine Angst wahrnehme, kann ich sie weiter konkretisieren: Wie groß ist die Angst? Fühle ich sie einen bestimmten Ort im Körper? Wie fühle ich meine Angst? Hat sie eine bestimmte Farbe? …
Vielleicht erinnere ich mich an frühere Situationen, in denen ich ängstlich war. Wie habe ich damals reagiert? Habe ich meine Angst schon einmal erfolgreich gemeistert? Und wie habe ich es damals geschafft? Wie hat sich das damals angefühlt? Erfolgserlebnisse und geleistete Angstbewältigung helfen ebenfalls, mit neuen, herausfordernden Situationen und Ängsten umzugehen.
Manchmal erinnere ich mich aber auch an Erfahrungen, in denen es schlecht lieft; in denen ich zum Beispiel weniger gut mit meiner Angst klargekommen bin. Auch dann kann ich mich fragen: Wo lief es schlecht? Wie habe ich unbewusst reagiert? Aus solchen Situationen können wir für den Umgang mit der Angst heute etwas lernen: Welche Verhaltensweisen wären denkbar gewesen?
Möglicherweise bemerke ich dann, dass ich einen neue Bewältigungsstrategien brauche, um die Situation für mich zu verbessern: Es kann sein, dass ich lernen muss, besser Grenzen zu setzen und anderen mitzuteilen, was für mich o.k. und was für mich nicht o.k. ist. Oder ich kann lernen, meine körperliche Reaktion neu zu bewerten: Es für mich anzunehmen, dass ich vor Lampenfieber schwitze, rot werde, wenn ich vor einer Gruppe spreche oder zittere, wenn ich ein bestimmtes Gespräch führe. Das alles ist o.k., weil es mich menschlich (und authentisch) macht.
Kleiner Trick: oft hilft Bewegung, wenn die Angst und meine körperlichen Reaktionen sehr stark sind: ein Spaziergang, mehr Ausdauersport und auch Treppensteigen können akute Angst verringern und uns aus der Erstarrung lösen.
Eine wichtige Frage ist auch: Welche Erwartung (welche Sehnsucht, welches Bedürfnis) steht hinter meinem Gefühl der Angst? Oft steckt in der Angst eine wichtige Botschaft für mich, auf die ich achten sollte. Ich könnte zum Beispiel herausfinden, dass ich mir mehr Respekt oder mehr Schutz wünsche und mir dann überlegen, wie ich dieses Bedürfnis neu erfüllen kann – was ich brauche, um mich in der Situation wohler zu fühlen. Wenn ich das Bedürfnis hinter meiner Angst kenne, kann ich es auch leichter an jemand anderem kommunizieren, der beteiligt ist.
Damit verbunden ist der Schritt, sich klarzumachen, dass eine positive Absicht in der Angst steckt. Wir können uns fragen, welche positive Absicht das sein kann und statt der Situation und der Angst auszuweichen (fight, freeze or flight), sie auch als hilfreich anzusehen. Sie will uns etwas klarmachen, das wichtig für uns ist. Und auch wenn die Angst uns häufig lästig ist, liegt darin immer auch ein Entwicklungsschritt.
Fortgeschrittene können sich fragen: Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Die Frage führt uns dazu, der Angst ins Gesicht zu sehen bzw. ihr auf den Grund zu gehen. Je nachdem wie stark die Ängste sind, ist es gut, sich dafür einen Begleiter, zum Beispiel einen Coach oder Therapeuten zu suchen. Wenn wir herausgefunden haben, was unserer Meinung nach die schlimmste mögliche Erfahrung sein kann, können wir uns aber noch weiter fragen: Wie wahrscheinlich ist es, dass das eintrifft?
Alle diese Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung, um Ihrer Angst besser zu begegnen. Der entscheidende Schritt bleibt – wenn Sie das wollen und in einem für Sie gesunden, achtsamen Maß – das zu tun, wovor Sie Angst haben. Mutig zu sein heißt nicht, niemals Angst zu verspüren und immer alles furchtlos zu meistern, sondern mutig zu sein heißt, das, was Sie gern tun möchten, trotz oder besser noch mit Ihrer Angst zu machen. Wenn Sie das auf Ihre Art und Weise schaffen, haben Sie Ihre Angst angenommen und sind ein wahrer Held und eine wahre Heldin!
Ich wünsche Ihnen viel Inspiration und Kreativität im Umgang mit Ihren Ängsten! Es liegt viel Schönheit in unseren Emotionen und mit Sicherheit viel Lebendigkeit.
Den inneren Kritiker neu bewerten
„Schon wieder etwas falsch gemacht! Das lernst du nie. Streng dich mehr an! Andere können das viel besser. Sei doch nicht so ein Angsthase! Du musst mehr Geld verdienen. Sei doch nicht so ein Angeber! Du musst immer freundlich sein. Sei doch…!“ So oder so ähnlich hört sich unser innerer Kritiker in manchen Momenten an; und die Liste kann endlos fortgesetzt werden. Oft ist uns gar nicht bewusst, was wir uns selbst wiederholt erzählen, bis uns irgendwann auffällt, wie streng wir mit uns selbst ins Gericht gehen.
Der „innerer Kritiker“ ist diejenige Instanz in uns, mit der wir ständig uns selbst (und andere) bewerten. Dem inneren Kritiker kann man es nie wirklich recht machen, immer gibt es etwas zu nörgeln, machen wir etwas nicht gut genug oder suchen wir den Fehler bei uns. Es ist möglich, dass uns die Stimme des inneren Kritikers an jemanden erinnert, sei es an einen Elternteil, an eine ungeliebte Tante oder an eine andere autoritäre Person aus unserem Leben. Der innere Kritiker/die innere Kritikerin kann für verschiedene innere Personen stehen und kann sich in unterschiedlichen – negativen und destruktiven – Botschaften zeigen.
Die häufigste Reaktion, wenn wir den inneren Kritiker bemerken, ist, dass wir genervt sind und ihn möglichst schnell loswerden wollen. Vielleicht ärgern wir uns auch über uns selbst, dass wir es nicht besser wissen und kein stärkeres Selbstwertgefühl besitzen. Problematisch daran ist jedoch, dass der innere Kritiker gerade dann immer stärker wird, je mehr wir ihn ablehnen oder gegen ihn kämpfen. Wenn wir versuchen, die innere Stimme zum Schweigen zu bringen, meldet sie sich nur umso lauter – und wir verwenden viel Energie und Aufmerksamkeit darauf, damit gerade das nicht eintritt: ein Teufelskreis.
Was aber ist ein guter Weg, mit dem inneren Kritiker umzugehen?
Den inneren Kritiker identifizieren
Der erste Schritt bleibt es, den inneren Kritiker zu identifizieren. Das gelingt am besten, wenn man beobachtet, in welchen Situationen man besonders kritisch und wertend mit sich umgeht. Welche Bewertungen über sich oder über die Situation gibt man unbewusst ab? Hilfreich sind dazu die folgenden Fragen:
- Wie spreche ich gerade mit mir selbst (freundlich/streng, liebevoll/kritisch)?
- Welche Sätze sage ich mir wiederholt selbst in herausfordernden Situationen?
- In welchen Situationen sage ich innerlich zu mir: „Ich muss…“, Ich sollte…“?
- Wie lauten die Sätze, die mit „Ich muss…“, „Ich sollte…“ beginnen?
- Gibt es weitere negative Sätze und Bewertungen, die ich mir wiederholt sage?
- Habe ich diese Sätze früher schon mal von jemand anderem gehört?
Obwohl der innere Kritiker höchst unangenehm sein kann und für unser Selbstwertgefühl sicherlich nicht förderlich ist, ist er dennoch für uns da und hat eine Funktion. Meist enthält geht er zurück auf eine Erfahrung, die wir gemacht haben und in der seine Botschaft/Haltung uns vor etwas schützen oder etwas Gutes für uns bewirken sollte. Etwa: „Wenn ich mich mehr anstrenge, leiste ich mehr – und wenn ich mehr leiste, werde ich gemocht.“ oder: „Wenn ich einen Fehler mache, bedeutet das eine Katastrophe – es ist besser, gut darauf zu achten, nichts falsch zu machen.“ So oder so ähnlich könnten die unbewussten Absichten unseres Kritikers lauten.
Den inneren Kritiker neu bewerten
Der innere Kritiker ist nicht unser Feind! Wie kann man ihn aber stattdessen wahrnehmen und bewerten? Man könnte sagen, der Kritiker ist eine Instanz, die Gutes für uns will, die Art und Weise, wie sie es tut, ist jedoch leider negativ und wenig unterstützend für uns. Der Kritiker übt Druck auf uns aus, um zum Ergebnis zu kommen und kann uns dabei blockieren und im Weg stehen. Statt diesem „Tyrannen“ jedoch mit eben soviel Druck zu begegnen, hilft es weitaus mehr anzuerkennen, dass er ursprünglich etwas für uns und nicht gegen uns beabsichtigte. Darin liegen auch die zwei Seiten des inneren Kritikers, der uns einerseits durch seine Negativität schadet, andererseits jedoch immer auch einen positiven Aspekt für uns enthält.
Wenn wir den Kritiker also neu bewerten wollen, helfen uns die folgenden Fragen weiter:
- Gibt es eine positive Absicht in den Botschaften des inneren Kritikers?
- Wozu könnte der innere Kritiker auch gut sein?
- Gab es schon einmal Situationen, in denen uns der innere Kritiker geholfen hat?
Da der innere Kritiker gleichzeitig oft innere Wünsche und Seiten von uns unterdrückt und blockiert, liegt darin auch viel gebundene Kraft. Wenn es uns gelingt, dem Kritiker zuzuhören und einen freundlichen Umgang mit ihm zu finden, wird diese Kraft freigesetzt und steht uns wieder zur Verfügung. Bei der Beschäftigung mit dem inneren Kritiker kann das ein großer Gewinn sein. Wir können erkennen, was wir uns wünschen und wo unsere Bedürfnisse liegen – und können wieder selbst entscheiden, was wir davon verwirklichen und welche Richtung wir einschlagen.
Wenn der innere Kritiker Ihnen das Leben schwer macht, kann es leichter fallen, mit einem Coach oder Therapeuten das Thema zu bearbeiten; vor allem, wenn es um eine Veränderung und Neubewertung geht. Ich wünsche Ihnen eine gute und konstruktive Annäherung an Ihren inneren Kritiker!
Die eigenen Werte leben
Wie bin ich aktuell auf das Thema gekommen? Vor Kurzem habe ich das Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“ von Viktor Frankl (1905-1997) gelesen, der darin beschreibt, wie er als Psychologe im Zweiten Weltkrieg den Aufenthalt im Konzentrationslager erlebt hat. Ein sehr beeindruckendes Buch, das ich wirklich empfehlen kann. Frankl vermittelt durch seine Erinnerungen, dass es auch unter schlimmsten Bedingungen möglich ist, eine vertrauensvolle Einstellung zum Leben zu bewahren und dem Leben einen Sinn zu geben. Manchmal bedeutet es, sich die Frage, was dem eigenen Leben Sinn gibt, mehrmals und erneut zu stellen.
Die Frage nach dem Sinn ist eng verknüpft damit, sich über die eigenen Werte bewusst zu sein. Das eigene Leben wird oftmals dann sinnerfüllt erlebt, wenn es nach den eigenen Werten ausgerichtet ist bzw. mit ihnen übereinstimmt. Werte helfen uns dann, wenn wir im Zweifel darüber sind, wie wir uns verhalten oder wofür wir uns entscheiden sollen. Soll ich aus beruflichen Gründen wegziehen oder bleibe ich bei meiner Familie und behalte meinen alten Job? Erfülle ich die Erwartungen, die jemand anderes an mich richtet, oder bleibe ich mir selbst treu? Werte entscheiden oft unbewusst darüber, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten und ob wir mit uns und unserem Leben zufrieden sind.
Was sind Werte?
Werte lassen sich beschreiben als diejenigen Vorstellungen, die wir innerhalb einer Gemeinschaft oder Gruppe als besonders wünschenswert erachten. Es sind Qualitäten, die wir besonders schätzen und die wir persönlich oder gesellschaftlich verwirklicht sehen möchten. Sie fallen uns vor allem dann auf, wenn sie nicht vorhanden sind – es sind diejenigen Eigenschaften und Qualitäten, auf die wir am wenigsten verzichten können. Dennoch haben nicht alle Menschen die gleichen Werte, sondern jeder Mensch entwickelt individuelle Werte – und Werte können sich mit der Zeit und sogar durch den Kontext verändern.
Welche Werte gibt es und wie können wir dann herausfinden, welche Werte für uns eine Bedeutung haben? Typische Werte in unserer Zeit sind beispielsweise: Liebe, Familie, Gemeinschaft, aber auch beruflicher Erfolg und Unabhängigkeit, Freiheit, Geld, Sicherheit oder Spaß. Es gibt eher politisch geprägte Werte (Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit), Werte, die sich auf die Familie beziehen (Geborgenheit, Vertrauen, Gesundheit) oder Unternehmenswerte (Engagement, Karriere, Pünktlichkeit) u.a. Wir nähern uns unseren eigenen Werten am besten an, indem wir nicht so sehr auf die kleinen Dinge schauen, die uns im Alltag wichtig sind (schöne Kleidung, gute Unterhaltung, genügend Schlaf), sondern auf das, was wir langfristig brauchen, um zufrieden zu sein und Sinn zu erleben.
Gute Fragen, die mich zu meinen Werten führen, sind:
- Was im Leben ist mir wirklich wichtig und hat Bedeutung für mich?
- Wofür würde ich mich immer engagieren?
- Für welchen Wert möchte ich in meinem Leben stehen?
- Für welchen Wert/welche meiner Werte sollen andere mich kennen?
- Welchen Wert möchte ich auf der Welt vergrößern?
- Welcher Wert muss in meinem Beruf erfüllt sein, damit ich mich wohl und zufrieden fühle?
- Welche Sache würde ich wirklich vermissen, wenn sie fehlen würde? (Und welcher Wert steckt dahinter?)
Wenn Sie sich Zeit nehmen, diese – zugegeben nicht ganz einfachen – Fragen in Ruhe zu beantworten, haben Sie vermutlich schon ein klareres Bild gewonnen, welche Werte für Sie konkret wichtig sind. Oft wird dadurch die Richtung im eigenen Leben bereits klarer und wir fühlen uns sicherer bei Entscheidungen, wenn wir uns unsere wichtigsten Werte in Erinnerung rufen. Trotzdem ist es zunächst nur der erste Schritt, unsere Werte besser kennenzulernen. Genauso wichtig ist es, herauszufinden, was Sie mit diesen Werten meinen, das heißt, diese Werte mit Leben zu füllen. Für den einen bedeutet der Wert „Liebe“ vielleicht, dass er seiner Beziehung Vorrang geben möchte, früh heiraten und eine Familie gründen will; für jemand anderen kann es bedeuten, dass er Liebe in seinem Berufsleben verwirklichen will und einen Beruf sucht, bei dem er anderen Menschen helfen kann und dadurch seinen Werten dient und seinem Leben Sinn verleiht.
Die folgenden Fragen können Ihnen dabei helfen, Ihre wichtigsten Werte genauer zu definieren und ihre Bedeutung weiter zu ergründen. Darin zeigt sich auch schon etwas von der Orientierung für Ihr Handeln, die in Ihren Werten steckt:
- Woran merke ich, dass mein Leben in Einklang mit meinen Werten ist?
- Wie sieht es aus, wenn ich nicht in Einklang mit meinen Werten lebe?
- Wie verhalte ich mich, wenn ich meine Werte kleines bisschen mehr als sonst in den Mittelpunkt stelle?
Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch die Fragen mehr Klarheit über Ihre Werte gewinnen und dass sie Sie zu einem erfüllten Leben ermutigen und inspirieren!
Ich schaffe das! Selbstvertrauen & Selbstbild
Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass Erfolge und Misserfolge eines Menschen maßgeblich von dessen Begabungen abhängen. Jemand hat ein besonderes Talent, mit Zahlen umzugehen? Derjenige wird bestimmt mal ein ausgezeichneter Mathematiker, Physiker oder Ingenieur. Jemand anders war dagegen als Kind eher unsportlich – aus diesem Menschen wird bestimmt kein erfolgreicher Sportler! So oder so ähnlich wird unsere spontane Beurteilung wahrscheinlich ausfallen.
Die US-amerikanische Psychologin Carol Dweck hat dagegen in unzähligen Studien und Experimenten mit Spitzensportlern, Geigenvirtuosen, Elitestudenten und Führungskräften herausgefunden, dass vielmehr unser Selbstbild und unsere Bereitschaft dazuzulernen und uns weiterzuentwickeln entscheidend dafür sind, wie erfolgreich wir sind. Am Beginn stand ein Experiment mit Schulkindern: Dweck ließ Kinder einer Grundschulklasse einzeln mehrere Denksportaufgaben lösen, deren Schwierigkeitsgrad etwas zu hoch für sie war. Sie wollte damit herausfinden, wie die Schüler mit Herausforderungen umgingen.
Zu ihrer Überraschung reagierten die Kinder jedoch nicht etwa negativ und waren frustriert, dass die Aufgaben zu schwer für sie waren, sondern sagten so etwas wie: „Ich liebe kniffelige Rätsel!“ oder „Wissen Sie, genau das hatte ich gehofft: Dass ich hier etwas lerne.“ Sie konnten mit ihrem Misserfolg nicht nur relativ gut umgehen, sondern sie scheiterten gern an ihrer Aufgabe! Dieses Ergebnis interessierte Dweck so sehr, dass sie mehr über diese Einstellung herausfinden wollte. Aus diesem Grund führte sie weitere Studien mit unterschiedlichen Personengruppen durch.
Statisches oder dynamisches Selbstbild
Dies führte zu ihrer Entdeckung, dass es zwei verschiedene (Grund-)Einstellungen gibt, mit denen wir Herausforderungen begegnen: Entweder sind wir überzeugt, dass uns unsere Fähigkeiten und Talente von Geburt an mitgegeben wurden und dass wir selbst nichts tun können, wenn uns eine Sache nicht liegt und wir kein Talent dafür besitzen. Dann besitzen wir nach Carol Dweck ein statisches Selbstbild. Oder aber wir sind überzeugt, dass wir unsere Eigenschaften weiterentwickeln können und dass wir, wenn wir nur ordentlich üben und uns anstrengen, jedes realistische Ziel erreichen können. – Ähnlich wie die Kinder, die in ihrem Scheitern kein Problem sehen, sondern darauf vertrauen, dass sie die Herausforderung mit etwas mehr Übung meistern werden und sogar Spaß daran haben.
Das dynamische Selbstbild entspricht der Brille eines gesunden Selbstvertrauens: Wenn ich etwas noch nicht kann, es aber gern können/erreichen möchte, werde ich weiter daran glauben, dass ich es schaffen kann. Ich werde es trotzdem weiter versuchen und nehme Misserfolge und Fehlschläge auf dem Teil Weg dorthin in Kauf – wenn dahinter die Einstellung steht, dass ich mich durch eigene Anstrengung weiterentwickeln kann. Wenn ich stattdessen (unbewusst) die Einstellung habe, dass meine Leistungen allein auf Talent beruhen, ist jede weitere Anstrengung zwecklos und ich werde jeden Fehler als weiteren Rückschlag interpretieren.
Scheitern ist nicht das Gegenteil von Erfolg – es ist ein Bestandteil davon. (Arianna Huffington)
In ähnlicher Weise wie beim Experiment mit den Schulkindern fand Dweck in den Studien mit weiteren Personengruppen heraus, dass diejenigen, die Spitzenpositionen in ihren jeweiligen Berufsbereichen erreicht und es zu besonderer Virtuosität gebracht hatten, zu Beginn ihrer Karriere oder in ihrer Schulzeit keineswegs diejenigen gewesen waren, die sich durch das höchste Talent ausgezeichnet hatten. Talent spielt zwar eine Rolle, aber auf den späteren Erfolg haben das Selbstbild bzw. die Einstellung zu Herausforderungen sowie die Ausdauer und Anzahl der Übungsstunden einen viel größeren Einfluss.
Was lassen sich diese Erkenntnisse auf unseren Umgang mit Herausforderungen übertragen?
- Herausfinden, welches Selbstbild wir unbewusst haben: Beobachten Sie sich selbst bzw. gehen Sie in ihrer Vorstellung Situationen durch, in denen Sie in der letzten Zeit herausgefordert waren: Wie reagieren Sie? Denken Sie eher dynamisch (prozessorientiert) oder statisch? Haben Sie das Scheitern als Misserfolg gesehen oder als Möglichkeit, etwas Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln?
- Die Perspektive des „noch nicht“: Schauen Sie die gleichen Situationen (oder solche, die in den nächsten Tagen auf Sie zukommen) mal aus der Perspektive des „noch nicht“ an. Statt: „Ich bin daran gescheitert, eine berufliche Aufgabe zu meistern, eine Stunde lang durchgehend im Park zu joggen, die Beziehung zu meinem Partner zu verbessern etc.“ lieber: „Ich kann es noch nicht/weiß noch nicht, was ich dafür tun kann.“ Damit erkennen Sie die Möglichkeit an, in diesem Prozess weiterzukommen.
- Neu wählen: Wenn Sie erkannt haben, zu welchen Selbstbild Sie tendieren, haben Sie wieder die Wahl, ob Sie dabei bleiben oder eine neue Haltung einnehmen möchten. Sie können entscheiden, ob Sie daran festhalten möchten, dass Ihre Talente angeboren sind, oder ob Sie daran glauben, dass Sie sich weiterentwickeln können. Vor allem können Sie entscheiden, wie Sie mit Herausforderungen umgehen: ob Sie sie als negativ beurteilen und lieber vermeiden oder ob Sie sie als Chance sehen und kleine Schritte auf Ihrem Weg machen.
Übrigens: Nicht immer fällt es leicht, alte Muster abzulegen und sich eine neue Haltung anzueignen. Dann helfen Gespräche mit Freunden oder Sie suchen sich Unterstützung durch einen Coach.
- Neues ausprobieren: Menschen mit einem dynamischen Selbstbild probieren gern neue Dinge aus, weil Sie gern dazulernen und weniger Angst davor haben, Fehler zu machen. Vielleicht versuchen Sie mal, eine neue Fähigkeit zu erlernen oder eine Aktivität zu unternehmen, die Sie bisher gescheut haben – oder Sie probieren einfach für eine Woche eine neue Haltung aus, wie: „Ich kann das schaffen!“ oder „Es macht nichts, wenn ich einen Fehler mache; daran merke ich, dass ich auf dem Weg bin und etwas lerne.“
Ich wünsche Ihnen viel Kreativität und einen gelassenen Umgang mit Herausforderungen!
Literatur:
- Carol Dweck, Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt, München 2014.
Entspannt Grenzen setzen lernen
Unsere Grenzen entspannt und gelassen setzen? Das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein. Die meisten von uns kennen Situationen, in denen unsere Grenzen überschritten werden und in denen wir sehr heftig darauf reagieren: Wir fühlen uns durch ein unangemessenes Verhalten angegriffen und möchten am liebsten sofort zurückschlagen. Wieso begreift der andere nicht, was wir gerade brauchen? Wieso kommt uns diese Person sprachlich oder körperlich zu nahe? In solchen Momenten fühlen wir uns weit davon entfernt, gelassen und ruhig zu reagieren.
Zunächst einmal haben unsere Gefühle einfach die positive Absicht, uns anzuzeigen, dass unsere Grenzen überschritten wurden; dass wir also darauf aufmerksam sein sollen, dass im Kontakt mit anderen etwas „passiert“ ist. Reaktionen wie Wut, Ärger oder auch das Gefühl einer Störung, bei der wir nicht genau sagen könne, was eigentlich stattgefunden hat, zeigen uns, dass unsere Bedürfnisse missachtet wurden und wir in angemessener Weise handeln sollten. Im Prinzip passiert es im Kontakt zwischen Menschen häufig, dass wir unsere Grenzen gegenseitig überschreiten; problematisch wird es jedoch, wenn eine Person sehr oft oder zu heftig unsere Grenzen verletzt.
Und noch etwas: Unsere Grenzen sind durchaus flexibel. Damit meine ich, dass es sich manchmal lohnt zu erforschen, ob es gerade wichtig ist, unsere Grenzen zu achten und klar nach außen zu verteidigen (sich zu schützen kann manchmal absolut notwendig sein) – oder ob es einen Spielraum gibt, innerhalb dessen wir unsere Grenzen vielleicht etwas weiter öffnen wollen, um neue Erfahrungen zuzulassen. Die Flexibilität unserer Grenzen erlaubt es, unsere Komfortzone auch mal zu verlassen, wenn wir es wünschen. Ein Zitat von Fritz Perls beeindruckt mich in diesen Zusammenhang immer wieder: „Kontakt findet an der Grenze statt.“ Danach ist wirklicher Kontakt nur möglich, wenn wir zulassen, dass andere unsere Grenze berühren, und wenn wir sie ihnen zeigen.
Wie aber kommen wir denn nun dahin, entspannt und gelassen Grenzen zu setzen?
Vier Schritte sind dabei wichtig:
1. Innehalten, um unsere Grenzen und Bedürfnisse wahrzunehmen. Allzu oft nehmen wir nicht bewusst wahr, dass gerade jemand unsere Grenzen überschreitet. Wir gehen über das ungute Gefühl hinweg, dass sich unwillkürlich einstellt; vielleicht weil wir unbewusst den Glaubenssatz erlernt haben: „Die Bedürfnisse des anderen sind wichtiger als meine.“ oder einfacher: „Das sollte mir jetzt nichts ausmachen.“ Dagegen hilft nur darauf zu achten, was unsere Gefühle uns gerade melden und kurz innezuhalten, um herauszufinden, was uns gerade stört. Wenn wir unser Bedürfnis kennen (z.B. Ruhe zu haben, nicht gestört zu werden, respektvoll behandelt zu werden), ist es viel leichter für uns, angemessen zu handeln und auch dem anderen nicht alle Verantwortung für unser Unwohlgefühl zuzuschieben. Folgende Fragen helfen, um unsere Grenzen zu erkennen und unsere Bedürfnisse wahrzunehmen:
– Welches Bedürfnis ist mir so wichtig, dass ich es immer verteidigen würde, wenn andere diese Grenze überschreiten?
– Wann wurden zuletzt meine Grenzen von anderen überschritten und wofür steht das?
– Welche Kritik trifft mich am meisten?
2. Die eigenen Grenzen annehmen und sich erlauben. Wenn wir erkennen, dass unsere Grenzen verletzt wurden, handeln wir manchmal trotzdem noch gegen unser eigenes Gefühl. Jeder hat aber das Recht darauf, Grenzen zu haben und nach außen deutlich zu machen, welches Verhalten er toleriert und welches nicht. Man muss sich selbst auch erlauben, seine Grenzen einzufordern. Oft wünschen wir uns jedoch Ruhe und versuchen einen Konflikt zu vermeiden; oder wir wollen den anderen nicht enttäuschen und übergehen lieber unsere eigenen Bedürfnisse. Umgekehrt hat die Sozialwissenschaftlerin und Forscherin Brené Brown herausgefunden, dass diejenigen Menschen, die am meisten Mitgefühl besitzen, gleichzeitig diejenigen sind, die ihre Grenzen am stärksten respektieren. In dem Sinne, dass sie klar äußern, was für sie o.k. ist, und was nicht. Wenn wir es zulassen, dass andere unsere Grenzen wiederholt überschreiten, werden wir mehr und mehr abweisend und entwickeln Groll. Die eigenen Grenzen anzunehmen kann bedeuten, das Risiko einzugehen, andere Menschen zu enttäuschen.
3. Den Konfliktmuskel trainieren und unsere Grenzen verteidigen lernen. Es bedeutet Mut zu haben, wenn wir uns unsere Grenzen erlauben und gegenüber anderen ausdrücken – notfalls auch gegenüber den Menschen, die uns besonders wichtig sind oder gegenüber einer ganzen Gruppe. Wir müssen bereit sein, einen möglichen Konflikt auch auszuhalten, falls die Bedürfnisse des anderen gegensätzlich zu unseren eigenen sind. Hilfreich ist, sich klar zu machen, dass wir ein Recht haben, unsere Bedürfnisse und Grenzen zu äußern und für sie einzustehen. Bei der Arbeit mit meinen Klienten und auch privat erlebe ich oft, dass wir paradoxerweise oft mehr geschätzt werden, wenn wir klar unsere Grenzen zeigen und zum Beispiel „Nein“ sagen. Unsere Angst ist, nicht gemocht zu werden, stattdessen bekommen wir Respekt und werden gerade gemocht, wenn wir zu unseren Bedürfnissen und uns selbst stehen. Wir werden dadurch für andere besser sichtbar – wir zeigen einen authentischen Teil von uns. Dafür müssen wir bereit sein, unseren Konflikt-Muskel zu trainieren und häufiger für unsere Grenzen und Bedürfnisse einzustehen.
4. Klare Ansagen machen. Es erleichtert, seine Grenzen anderen zu zeigen, wenn wir es in einem Moment machen, wenn wir uns in der Lage dazu fühlen, und wenn wir klare Aussagen dabei treffen. Wenn wir merken, dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist, weil wir gerade selbst noch keine Klarheit haben oder von unseren Gefühlen überwältigt werden, ist es durchaus legitim erstmal zu sagen: „Dafür habe ich im Moment den Kopf nicht frei.“ oder „Im Augenblick beschäftigt mich etwas anderes. Darauf komme ich später wieder zurück.“ Das unterstützt besonders ein Bedürfnis nach Ruhe. In anderen Fällen schaffen wir es jedoch vielleicht, gleich reagieren. Wenn unsere Grenzen stark überschritten wurden oder wir uns sehr bedrängt fühlen, haben wir manchmal das Gefühl, selbst sehr stark und laut reagieren zu müssen. Der andere hat vielleicht gar nicht gemerkt, was er gesagt oder getan hat, während wir das Gefühl haben, nur wahrgenommen zu werden, wenn wir mit voller Kraft gegen die Verletzung unserer Grenzen angehen. Dagegen wirkt es viel förderlicher – und ist meist entspannter -, uns bewusst zu machen, dass ein leises (in normaler Zimmerlautstärke gesprochenes) „Nein“ oft schon genügt, um dem anderen unser Bedürfnis zu vermitteln.
Gute Sätze können dafür sein:
„Das ist für mich o.k.“/“Das ist für mich nicht o.k.“
„Hier bist du zu weit gegangen. Ich möchte das nicht. Es ist nicht in Ordnung für mich, wenn du das sagst oder tust.“
„Ich weiß, du meinst es gut, aber ich bin mit deinem Verhalten nicht einverstanden. Respektiere das bitte.“
…
Sie können natürlich ganz für sich selbst herausfinden und entscheiden, welcher Satz für Sie am besten passt, um Ihre Grenzen klar zu kommunizieren. Wichtig ist vielmehr, dass Sie selbst Klarheit über Ihr Bedürfnis haben und es ebenso klar äußern. Vielleicht überrascht sie die Reaktion des anderen darauf. In jedem Fall waren Sie mutig, sich selbst zu zeigen und für Ihre Grenzen einzustehen!
Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, Ihre Grenzen besser kennenzulernen und entspannt zu setzen!
In Balance – die 5 Säulen der Identität
Wir genießen die Zeiten, in denen in unserem Leben gerade alles im Gleichgewicht ist: Wir fühlen uns wohl in unserer Haut, kommen im Job gut voran und fühlen uns verbunden mit unserem Partner und den Menschen um uns. Doch dann gibt es auch andere Momente, in denen unser Leben durcheinandergeraten zu sein scheint und wir stärker herausgefordert sind. Wir scheinen neben uns zu stehen, nichts geht mehr einfach so von selbst und wir suchen nach etwas, das uns Halt gibt und trägt.
Für solche Zeiten ist es gut, klar zu wissen, was es denn ist, das unserem Leben Halt gibt und was wir brauchen, um ein stabiles Gleichgewicht herzustellen. Das kann für jeden etwas anderes sein: Der eine braucht ein vertrautes und wohlwollendes soziales Umfeld, jemand anderes braucht vielleicht eine berufliche Veränderung, um sich besser zu fühlen. Um herauszufinden, was wir benötigen und was wir in unserem Leben stärken sollten, damit wir mehr Zufriedenheit und Stabilität erreichen, sind die „5 Säulen der Identität“ ein sehr wirksames Modell, das ich gerne im Coaching benutze.
Das Modell wurde 1993 von dem Psychologen Hilarion Petzold entwickelt und beschreibt, welche Lebensbereiche wichtig sind und im Gleichgewicht sein müssen, um sich selbst ausgeglichen und lebendig zu fühlen. Es geht davon aus, dass nicht nur die einzelnen Bereiche für sich ausgefüllt sein müssen, sondern auch, dass die Lebensbereiche zusammenwirken und Einfluss aufeinander haben. Petzold unterscheidet zwischen fünf Bereichen bzw. Säulen:
- Körper und Gesundheit
- Soziales Netz
- Beruf und Leistung
- Materielle Sicherheiten
- Werte (und Haltungen)
Wird nur einer dieser Lebensbereiche „versorgt“, kann das eine Weile gut gehen, wird aber auf Dauer schädigend sein, beispielsweise, wenn wir sehr viel Leistung zeigen, aber unsere Gesundheit nicht genügend beachten. Wird ein Lebensbereich „gestört“, können andere Säulen das auffangen, zum Beispiel, wenn der Bereich Arbeit instabil ist, aber ein gutes soziales Netz und genügend materielle Sicherheiten vorhanden sind… Natürlich können nicht immer alle fünf Säulen in unserem Leben gleich stabil und gefüllt sein. Zwischenzeitlich kommt das Gleichgewicht immer wieder auch abhanden. Aber es ist gut, wahrzunehmen auf welchen Säulen unser Leben steht, und einen Überblick zu haben, was bei uns gut versorgt und was eher unterversorgt ist.
Vor diesem Hintergrund möchte ich zu jeder der fünf Säulen ein paar Fragen stellen, die Ihnen helfen, die Stabilität der Säulen und Lebensbereiche aktuell besser einzuschätzen:
1. Körper und Gesundheit
– Wie gesund fühlen Sie sich?
– Was tun sie regelmäßig für Ihren Körper und Ihre Gesundheit (zum Beispiel Bewegung, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, Vorsorge)?
– Bewegen Sie sich ausreichend und machen Sport (mindestens 3 x 30 Minuten pro Woche)?
– Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Körper?
2. Soziales Netz
– Haben Sie ein stabiles soziales Netz aus Freunden und Bekannten?
– Wie viel Zeit nehmen Sie sich regelmäßig für Ihre Freunde (Treffen, Gespräche, Aktivitäten)?
– Welchen Stellenwert hat Familie für Sie?
– Haben Sie einen Partner? Wie stabil ist die Partnerschaft?
3. Beruf und Leistung
– Macht Ihre Arbeit Ihnen Freude?
– Können Sie Ihre Fähigkeiten beruflich optimal einsetzen und erhalten dafür Anerkennung?
– Können Sie sich weiterentwickeln?
– Besitzen Sie Autonomie und Entscheidungsfreiheit bei Ihrer beruflichen Tätigkeit?
4. Materielle Sicherheiten
– Wie ist Ihre derzeitige finanzielle Situation?
– Welche materiellen Sicherheiten brauchen Sie?
– Wie soll sich Ihre materielle Situation in Zukunft entwickeln (welche materiellen Wünsche haben Sie)?
5. Werte (und Haltungen)
– Kennen Sie Ihre Werte (Was gibt Ihrem Leben Sinn)?
– Was ist Ihnen wichtig?
– Was begeistert Sie?
– Wofür stehen Sie? Haben Sie ein Lebensmotto oder eine Vision?
– Woran glauben Sie?
Die Beantwortung dieser Fragen braucht etwas Zeit. Aber es lohnt sich, wenn man danach klarer sieht, was alles schon da ist – und an welchen Stellen man vielleicht blinde Flecke hatte. Es kann also sowohl zur eigenen Beruhigung beitragen, wenn man sieht, was einen bereits trägt, und es dient der Motivation, in ruhigen Zeiten an manchen Stellen schon etwas nachzubessern und am Gleichgewicht zwischen den Säulen zu arbeiten.
Natürlich können auch noch andere Säulen dazukommen. In schwierigen Zeiten merke ich zum Beispiel, dass sowohl Natur als auch Kunst und Musik für mich eine wichtige Unterstützung sind. Das kann mit meinen Werten und mit dem Lebensbereich „Körper“ zusammenhängen; im Prinzip sagen die „5 Säulen der Identität“ aber vor allem etwas über die großen Bereiche aus, die unser Lebenshaus tragen und stabilisieren.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Entdeckung und der Arbeit an Ihren tragenden Lebenssäulen!
Wege zu mehr Willenskraft
Wer kennt das nicht: Wir haben unser Wunschziel klar vor Augen (zum Beispiel eine höhere Position im Unternehmen erreichen, einen Partner finden, mehr körperliche Fitness entwickeln…), kennen im Prinzip auch die notwendigen Schritte dorthin, zögern es aber dennoch hinaus, sie zu realisieren. Wir werden Meister darin, Dinge aufzuschieben und Gründe zu finden, warum wir nicht endlich loslegen. Oft wünschen wir uns dann mehr Willenskraft bei der Durchführung von Projekten – sei es im beruflichen oder im privaten Alltag.
Welche Methoden gibt es, um unsere Willenskraft zu stärken und unsere Motivation zu erhöhen? Sicher gibt es unterschiedliche Wege, dies zu erreichen; ich möchte hier aber gern ein paar Methoden und Möglichkeiten vorstellen, die sich nach meiner Erfahrung besonders bewährt haben und die bereits wissenschaftlich erforscht sind:
1. Die persönlichen Ziele mit Emotionen verbinden
Ein erster Schritt ist, das Ziel noch einmal genauer daraufhin zu untersuchen, ob es uns wirklich gefällt und anzieht. Rational motivierte Ziele wie: „Ich sollte die bessere Position im Unternehmen anstreben, weil sich das gut im Lebenslauf macht“, oder „Ich sollte mehr trainieren, weil ich dann schlanker und gesünder wäre“, sind löblich, bestärken uns meistens aber wenig bis gar nicht bei der Umsetzung.
Erfolgversprechender ist es dagegen, Ziele auszuwählen, die mit unseren Emotionen verbunden sind: „Ich will es meinem Kollegen (Chef, meinem Nachbarn, XY) endlich zeigen“, „Ich will, dass meine Familie (mein Partner etc.) stolz auf mich ist“, „Ich will endlich selbst stolz auf mich sein“ etc. Dazu ist es notwendig, sich ganz ehrlich mit seiner persönlichen Motivation auseinanderzusetzen. Mit Emotionen gekoppelte Ziele erreichen eine viel höhere Zugkraft und Begeisterung in uns, so dass es leichter fällt, konkrete Handlungsschritte zu unternehmen.
Achtung! Die neu formulierten Ziele sollten auch mit unseren Werten übereinstimmen.
2. Sich das Erreichen des Ziels und mögliche Hindernisse vorstellen (visualisieren)
Damit das Ziel seine volle Anziehungskraft entwickeln kann, ist es sinnvoll, es sich möglichst genau auszumalen: Wie sieht es aus, wenn Sie endlich die gewünschte berufliche Position erreicht haben? Was fühlen Sie, wenn Sie mit Ihrem Traumpartner gemeinsam etwas unternehmen? Wie würden Ihre Freunde reagieren, wenn Sie bereits schlank und sportlich sind? Stellen Sie sich die neue Situation möglichst konkret und mit vielen Details vor.
Dennoch haben psychologische Studien ergeben, dass die Visualisierung des erreichten Ziels allein nicht in allen Fällen erfolgreich ist, d.h. nicht alle Teilnehmer der Studien, die sich sehr gut vorstellen konnten, wie sie ihr Ziel bereits erreicht haben, realisierten es auch. Stattdessen brauchte es einen weiteren Schritt, damit die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung steigt: Es zeigte sich, dass diejenigen Personen erfolgreicher sind, die sich nicht nur das Ergebnis in ihrer Phantasie ausmalen, sondern sich auch die Hindernisse auf dem Weg dorthin vorstellen.
Psychologen nennen diese Methode „mentales Kontrastieren“, das bedeutet, man stellt die Vorstellung des erreichten Wunschziels und der möglichen Hindernisse gegenüber. Die Wirksamkeit dieser Methode konnte sowohl bei beruflichen wie bei privaten Zielen und Themen (wie Beziehungen, Gesundheit etc.) nachgewiesen werden. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass wir durch die Vorstellung des Hindernisses aufmerksamer dafür werden, was das Erreichen des Ziels verhindert – und den Hindernissen dadurch mit mehr Willensstärke begegnen.
3. Die Wenn-dann-Strategie
Um den Hindernissen dann auch tatsächlich angemessen begegnen zu können – und sie aus dem Weg zu räumen – hilft als weiterer Baustein die Wenn-dann-Strategie. Wenn Sie also die Hindernisse klar erkannt haben, entwickeln Sie bereits vorher einen Plan, wie Sie darauf reagieren werden. Zum Beispiel: „Wenn ich lieber auf dem Sofa liegen bleiben möchte, statt zum Sport zu gehen, dann werde ich trotzdem sofort die bereitgestellte Sporttasche schnappen und ins Fitnessstudio gehen“ oder „Wenn ich Lust auf Fast Food bekomme, dann sage ich laut ’nein, ich verzichte‘ und esse stattdessen einen Apfel“. Wichtig daran ist, dass Sie sich vorher eine individuelle Strategie zurechtlegen, die Sie im konkreten Fall sofort anwenden können. Damit haben Sie einen sehr weiten Schritt nach vorne gemacht, um in der Situation mit mehr Willensstärke zu reagieren.
Das Visualisieren des erreichten Ziels und der Hindernisse sowie der Wenn-dann-Plan wurden von der Psychologin Gabriele Oettingen und dem Motivationspsychologen Peter M. Gollwitzer erforscht und entwickelt und unter dem Namen WOOP-Methode bekannt gemacht.
Last but not least ein guter Tipp, der beim Erreichen von Zielen fast immer weiterhilft: Setzen Sie sich einen realistischen Zeitrahmen, in dem Sie Ihr Wunschziel erreichen wollen. Also: „Bis zum 1. April 2018 habe ich meinen Chef wegen einer Gehaltserhöhung angesprochen“ oder „In den nächsten zwei Wochen gehe ich zweimal pro Woche joggen und erhöhe mein Pensum allmählich.“
Viel Freude beim Trainieren Ihrer Willensstärke!
Literaturtipps:
Gabriele Oettingen, Die Psychologie des Gelingens, München 2017.
Hans-Werner Rückert, Schluss mit dem ewigen Aufschieben. Wie Sie umsetzen, was Sie sich vornehmen, Frankfurt/Main 2006.
Gedanken zum Thema Hochsensibilität
Weil das Thema viel mit mir zu tun hat und weil ich als Coach häufiger danach gefragt werde, möchte ich den aktuellen Blogbeitrag dem Thema Hochsensibilität widmen. Lange war mir selbst nicht klar, dass Menschen eine so verschiedene Wahrnehmung haben können und Situationen vollkommen anders erleben. Für mich war typisch, dass ich viele Dinge gleichzeitig spüre und wahrnehme, ein gutes Gefühl für alles Zwischenmenschliche besitze und ein empfindliches Gehör für Klänge habe.
Das sind einige typische Eigenschaften von Hochsensibilität – die jedoch nicht für jeden hochsensiblen Menschen alle gleich zutreffen müssen. Die meisten Hochsensiblen nehmen jedoch sehr differenziert wahr, das heißt wenn sie beispielsweise einen Raum betreten, erfassen sie die darin anwesenden Menschen, ihre Stimmungen, das Gesagte, aber auch zum Beispiel die Proportionen des Raumes, die Temperatur, Farben, einen Luftzug oder ob es eher stickig in dem Raum ist. Bei bestimmten Reizen kann das Erleben besonders intensiv sein, zum Beispiel bei Geräuschen oder Gerüchen, vor allem aber bei allen ‚Schwingungen‘, die zwischen Menschen entstehen, bei Gefühlen und leisen Zwischentönen.
Nicht-Hochsensible betreten den gleichen Raum und sehen möglicherweise das Gleiche, jedoch fallen ihnen nicht so viele Feinheiten und Unterschiede auf, das heißt sie reagieren nicht so empfänglich auf die Reize. Mit anderen Worten: In der gleichen Situation und bei ein und demselben Reiz kann das Erregungsniveau des Nervensystems bei Hochsensiblen höher als bei Nicht-Hochsensiblen sein. Das Wort ‚hochsensibel‘ ist vor diesem Hintergrund etwas irreführend: Im Englischen wird der Begriff ‚highly sensitive person‘ (‚hochsensitiv‘) verwendet, der eher den Zusammenhang zur Wahrnehmung von Sinnesreizen herstellt.
Die Qualität hochsensibel zu sein, hat auch Schattenseiten: Hochsensible sind oft dünnhäutig, sie reagieren empfindsam auf äußere Einflusse, die Reize in der Außenwelt, aber auch ihre eigenen Gefühle und Gedanken können ihnen zuviel werden, sie sind mitunter schneller erschöpft und sie brauchen oft mehr Zeit, die Dinge zu verarbeiten. Und ich kenne fast keinen Hochsensiblen, für den es nicht schwierig ist, sich gut abzugrenzen. Man könnte auch sagen, dass sie lernen müssen, angemessen auf sich und ihre Sensibilität zu achten. Schwierig wird es vor allem dann, wenn sie diese Eigenschaft bei sich selbst ablehnen.
Seitdem ich mich mehr mit dem Thema beschäftige, ist mir jedoch ebenfalls sehr klar geworden, dass Hochsensibilität eine großartige Stärke ist: Ich habe eine feinere Wahrnehmung für andere und für mich selbst. Das trägt auch zu einer starken Intuition bei, einfach weil ich halb bewusst, halb unbewusst viel mehr Informationen aufnehme und weiterverarbeite. Daraus entwickelt sich oft ein gutes Gespür und eine Klarheit, ohne genau sagen zu können, woher es kommt. Hochsensible haben zudem häufig viele kreative Eigenschaften, nicht umsonst sind vor allem viele Künstler, Schriftsteller und Erfinder hochsensibel.
Hochsensibilität ist nicht gleich Introvertiertheit, ist nicht gleich Schüchternheit, ist nicht gleich Unsicherheit oder Angst
Last but not least noch ein Wort zu den häufigsten Vorbehalten, denen Hochsensible begegnen. Hochsensibilität ist nicht gleichbedeutend mit Introvertiertheit. Natürlich können hochsensible Menschen auch introvertiert sein und dazu neigen, leise und nach innen gekehrt zu sein. Es gibt aber ebenso extrovertierte Hochsensible, die zwar sensibel auf innere und äußere Reize reagieren, aber trotzdem großen Spaß daran haben, neue Menschen kennenzulernen und Teil einer Gruppe zu sein. Von ihrer Umwelt kann Hochsensiblen (aus Unwissenheit) gespiegelt werden, sie seinen besonders schüchtern oder ängstlich – eine feinere Wahrnehmung und ein auf Hochtouren arbeitendes Nervensystem sagen jedoch nichts darüber aus, ob sie in sozialen Situationen besonders schüchtern reagieren.
Hochsensibilität ist eine Eigenschaft von vielen, die eine Person auszeichnen können. Es ist sehr wertvoll, sie besser kennenzulernen und sogar zu nutzen, weil Sie durch diese Seite einen ganz individuellen, besonderen Beitrag in die Welt bringen.
Wenn Sie neugierig auf das Thema geworden sind, empfehle ich ihnen gern das Buch von Elaine Aron: Sind Sie hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen, München 2005.
Teilen Sie mir gern Ihre Meinung und Gedanken zum Thema Hochsensibilität mit!