Morgenseiten – eine kreative Schreibtechnik
Wenn wir schreiben, können wir Dinge verarbeiten, finden wieder unseren Fokus oder können uns davon entlasten, allzu viele Gedanken in unserem Kopf zu tragen. Auch für unsere seelische Gesundheit kann es von Vorteil sein, wenn wir uns kreative Techniken wie das Schreiben angewöhnen. Unter den vielen kreativen Schreibtechniken (Tagebuch schreiben, assoziatives Schreiben, Haikus verfassen etc.) sind die Morgenseiten eine besonders einfache und gewinnbringende Methode, die mit etwas Übung meistens auch noch viel Freude macht.
Was sind Morgenseiten?
Die Grundtechnik der Morgenseiten ist schnell erklärt: Du nimmst dir drei Blätter vor und schreibst darauf ohne Abkürzungen und ohne Unterbrechungen deine Gedanken - ohne Ausnahmen. Das Geschriebene folgt auf diese Weise deinem Bewusstseinsstrom, also zum Beispiel: "draußen scheint die Sonne und ich sitze hier und schreibe. Ich habe keine Ahnung, was ich schreiben soll. Was für ein Mist. Ich will aufstehen und das Fenster schließen. Habe ich genug für das Mittagessen eingekauft? Und und und ..." Der Schreibprozess ist vorbei, wenn die drei Seiten vollgeschrieben sind.
Auf diese Weise entleerst du dein Gehirn von allen Gedanken - das ist die Hauptfunktion der Morgenseiten. Nichts ist zu einfach, zu albern oder zu außergewöhnlich, um es auf den Seiten festzuhalten. Sie sollen nicht besonders klug werden - obwohl das vorkommen kann - und es muss noch nicht einmal einen zusammenhängenden Text ergeben. Ihre Wirkung entfalten die Morgenseiten dennoch. Du kannst die Seiten anschließend bewusst weglegen und nicht sofort lesen; du kannst sie aber auch fortlaufend in einem Notizbuch festhalten.
Es kann eine gute Idee sein, bereits morgens nach dem Aufstehen zu schreiben; ebenso gut können die Seiten auch zu einer anderen Tageszeit geschrieben werden. Wichtig ist eher, sich eine Routine anzugewöhnen und sich beispielsweise dafür zu entscheiden, zwei Wochen lang jeden Tag die drei Seiten anzufertigen und dann neu zu entscheiden. Es kann sein, dass das Schreiben am Anfang noch schwerfällt, weil es ungewohnt ist und man sich fragt, was dabei herauskommen soll (oder weil man doch den Anspruch hat, es solle besonders interessant/kreativ/klug werden). Die Methode der Morgenseiten möchte jedoch gerade von allen Ansprüchen und inneren kritischen Stimmen, die uns anfeuern und bewerten, befreien; und wenn man sich daran hält, und trotzdem den schlichten Gedankenstrom niederschreibt, führen uns die Morgenseiten stattdessen wieder zu unseren ureigenen, kreativen Einsichten.
Welche Vorteile haben Morgenseiten?
Wie geht das? Oder anders gesagt, welche Vorteile können Morgenseiten haben? Im Folgenden möchte ich etwas mehr die positiven Effekte von Morgenseiten beschreiben:
- Morgenseiten erhöhen die Kreativität. Sie werden oft auch empfohlen, um Blockaden beim Schreiben zu überwinden. Statt etwas besonders gut oder perfekt machen zu wollen, bringen die Morgenseiten dazu, möglichst frei und absichtslos mit dem Schreiben anzufangen und in den kreativen Fluss zu kommen. Die Kreativität kann sich frei entfalten und neue und unvorhergesehene Ideen können dadurch entstehen.
- Mehr Klarheit - der Kopf wird frei von unwichtigen Gedanken. Wenn wir uns erlauben, alle Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, niederzuschreiben, können wir sie auch leichter loslassen - sie stehen dann schon auf dem Papier; und ohne dass wir es steuern (ohne bewusstes Wollen) tauchen hin und wieder neue, frische Gedanken auf, oder es ergibt sich ein Bild, das wir vorher so noch nicht gesehen haben.
- Morgenseiten schaffen wieder Zugang zu unbewussten, konstruktiven Gedanken und Einsichten. Unser Verstand verläuft linear und wir versuchen meist, Probleme logisch anzugehen. Beim absichtslosen Schreiben werden dagegen unzensiert alle Gedanken aufgenommen und wir lassen auch absurde, unlogische oder unpassende Gedanken erst einmal zu. So können ganz allmählich, ohne dass wir es steuern, neue frische Antworten und kreative Lösungen entstehen/aufgedeckt werden, die schon in uns sind, die aber vom rationalen Verstand überlagert werden.
- Stress wird reduziert. Morgenseiten nehmen den Druck, schnell eine Lösung entwickeln zu müssen, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen oder kreativ sein zu "müssen". Wir entkrampfen unser Gehirn, indem wir mehr beobachten, was darin vorgeht, als dass wir unsere Gedanken in irgendeiner Weise lenken wollen.
- Es bringt einen gesunden Abstand zu Gedanken und Gefühlen. Schreiben kann auch eine Methode sein, um sich mit intensiven Gefühlen auseinanderzusetzen. Auch das kann durch absichtsloses Schreiben geschehen. Wenn wir mit intensiven Gefühlen (Wut, Trauer, Angst etc.) sehr identifiziert sind, kann das Schreiben helfen, wieder mehr Abstand zu gewinnen. Angst- bzw. Gefühlszustände können dadurch abgemildert werden, wenn wir damit einen kreativen Prozess starten.
- Verschafft einen guten Start in den Tag. Manche Menschen benutzen Morgenseiten auch anstelle von Meditation, um bereits am Morgen in einen guten Kontakt mit sich zu kommen und fokussiert und gestärkt in den Tag zu starten. Dafür ist es hilfreich, sich erstmal nach innen zu wenden, bevor der Alltag losgeht.
- Der innere Kritiker/das strenge Über-Ich wird umgangen. Indem nur beobachtet und alles notiert wird, was uns gerade in den Sinn kommt (und auch durch die Regel, den Schreibprozess nicht zu unterbrechen), werden auch alle Bewertungen umgangen, die uns sonst davon abhalten, unseren kreativen Impulsen nachzugehen. "Das ist nicht gut genug.", "Das ist doch lächerlich, was du da tust." können zwar als Gedanken auftauchen und sogar in die Seiten einfließen, wir bleiben jedoch daran nicht hängen.
- Kreatives Schreiben kann uns in schwierigen Lebensphasen Halt und Unterstützung geben. Die Routine der Morgenseiten kann die Tagesstruktur verbessern, und die Freiheit, alles aufschreiben zu können und dadurch möglicherweise auf neue, unerwartete Gedanken zu kommen, kann gerade in Phasen, in denen es uns nicht gut geht oder wir mit Herausforderungen konfrontiert sind, unterstützend sein. Wir wenden uns dadurch uns selbst wertschätzend zu.
Entstanden ist die Methode des "Free writing" übrigens bereits in den 1960er Jahren. Später wurden die Morgenseiten vor allem durch die Autorin und Künstlerin Julia Cameron bekannt. Nach ihr sind sie ein Mittel, um die eigene Kreativität zu erschließen - für künstlerische Prozesse und darüber hinaus.
Ich hoffe, ich konnte ein bisschen neugierig auf die Morgenseiten machen. Viel Freude beim Ausprobieren und beim Wiederentdecken deiner Kreativität!
Wie bringe ich mehr Achtsamkeit in meinen Alltag?
„Schon wieder bin ich nicht dazu gekommen, mir Zeit für mich zu nehmen.“, „Ich könnte ausrasten vor Ungeduld!“ „Mein Tag ist so vollgepackt, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“, Mein Chef hat mich mit seiner letzten Bemerkung echt verletzt.“ … Oft fällt es uns im Alltag nicht leicht, auf uns selbst und unsere Bedürfnisse zu achten oder auch mit intensiven Gefühlen gelassen umzugehen. Wir scheinen den äußeren Anforderungen und unseren Gefühlen ausgeliefert zu sein, geraten in Stress und wissen nicht, wie wir uns selbst beruhigen können.
Eine Möglichkeit, sich daraus zu befreien und sich wieder besser zu fokussieren, ist die Methode der Achtsamkeit. Die Idee der Achtsamkeit stammt aus dem Buddhismus, heute wird sie jedoch vielfach in therapeutischen Zusammenhängen eingesetzt. Eine Definition dafür ist: Achtsamkeit bedeutet, bewusst wahrzunehmen, was im gegenwärtigen Moment passiert, ohne es zu bewerten. Die Gedanken, die unbewusst immer wieder zurück in die Vergangenheit oder in eine sorgenvolle Zukunft springen, werden angehalten, und wir richten unsere Aufmerksamkeit wieder stärker auf das, was tatsächlich da ist, und sind mitfühlender mit uns selbst.
Achtsamkeit bringt viele Vorteile mit sich: Grundlegend kann man sagen, dass sie hilft, uns von unliebsamen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen (Gewohnheiten) zu distanzieren. Wir treten innerlich einen Schritt zurück und reagieren weniger überwältigt von bestimmten Situationen. Wir gehen mit uns selbst aufmerksamer um und indem wir uns weniger bewerten, behandeln wir uns selbst freundlicher. Nicht zuletzt werden wir freier, anders auf Situationen und Menschen zu reagieren, als wir es bisher gewohnt sind, wir können typische Verhaltensmuster durchbrechen, wenn wir es wollen.
Für mich gehört zum Weg der Achtsamkeit auch dazu, sich selbst immer wieder daran zu erinnern, kleine Schritte zu machen, vor allem, wenn wir etwas Neues lernen wollen oder wenn uns etwas herausfordert. Es lohnt sich, sich mehr mit der Methode der Achtsamkeit zu beschäftigen, mich interessiert jedoch besonders, wie sich Achtsamkeit leichter in den Alltag integrieren lässt. Die gute Nachricht ist: selbst kleine achtsame Momente können sehr viel Wirkung haben.
9 Schritte, um mehr Achtsamkeit in den Alltag zu bringen
1. Eine*n innere*n Beobachter*in installieren: Wenn wir anfangen, die Gegenwart bewusst nur wahrzunehmen, statt einzugreifen oder uns von unseren Gedanken und Gefühlen vereinnahmen zu lassen, können wir bemerken, dass es in uns eine Seite/eine Instanz gibt, die alles aufmerksam beobachtet, ohne mit den Erlebnissen „verstrickt“ zu sein. Diese Instanz können wir auch den oder die neutrale*n, wohlwollende*n Beobachter*in nennen. Sie sieht zum Beispiel unsere aktuelle Umgebung, die Bäume im Park, unseren Schreibtisch im Büro o.ä. und nimmt auch wahr, was gerade passiert, beispielsweise jemand lächelt uns an oder wir reagieren verärgert auf eine Bemerkung. Je häufiger du in den Beobachtermodus wechselst, desto häufiger kommt diese Seite zum Vorschein und dadurch entsteht bereits eine innere Distanzierung.
2. Den Atem beobachten: Meine Lieblingsmethode, um wieder in einen achtsamen Kontakt mit mir zu kommen, ist, für kurze Zeit meinen Atem zu beobachten. Denn bei der Methode der Achtsamkeit geht es auch darum, eine freundliche Beziehung zu sich selbst zu entwickeln. Drei oder vier Atemzüge lang nimmst du einfach nur wahr, wie du ein- und wieder ausatmest. Das klingt einfacher als es ist, denn wir sind es nicht gewohnt, mit unserer Aufmerksamkeit so konzentriert bei einer Sache zu bleiben. Es geht dabei nicht darum, etwas zu verändern oder zu verbessern, sondern wirklich nur wahrzunehmen. Wenn du merkst, dass du gedanklich abschweifst, lenke deine Aufmerksamkeit einfach wieder zurück auf den Atem.
3. Gefühle bewusst wahrnehmen: Schon eine kleine Herausforderung kann es sein, nicht gegen unsere Gefühle anzukämpfen oder sie vermeiden zu wollen, sondern sie „einfach“ nur zuzulassen und zu beobachten. Auch hier hilft wieder der/die innere Beobachter*in: Es geht darum, eine freundliche und neutrale innere Haltung einzunehmen und das aktuelle Gefühl interessiert zu untersuchen. Wie fühlt sich der Ärger/das Traurige in uns an? Wo nehmen wir es im Körper wahr? Ist es groß oder klein? Bewegt es sich oder ist starr? … Wenn wir uns Zeit nehmen, unsere Gefühle ein paar Momente lang zu erforschen, stellen wir oft fest, dass sie weniger bedrohlich werden. Wir nehmen eine Haltung der offenen Aufmerksamkeit ein und erleben dadurch auch, dass wir mehr sind, als unsere Gefühle („Ich kann meine Gefühle beobachten, also bin ich mehr als meine Gefühle“).
4. Den eigenen Körper wahrnehmen, scannen: Achtsamkeit ist eine absichtslose Praxis. Und so kann es eine achtsame Übung sein, eine kleine Zeit mit sich selbst zu verbringen und den eigenen Körper aufmerksam wahrzunehmen. Also: Alles aufmerksam beobachten, was gerade da ist, zum Beispiel ein Grummeln im Magen, ein Kribbeln in der linken Hand, den eigenen Herzschlag. Wird man aufmerksam auf den eigenen Körper, bemerkt man erst, wie viel eigentlich im Inneren „los ist“. Es führt dazu die Sinne von der Umgebung weg und wieder nach innen zu richten. Wer es gerne strukturierter mag, scannt die Teile des eigenen Körpers mit seiner Aufmerksamkeit langsam von unten nach oben (oder in die umgekehrte Richtung). Das bedeutet man lenkt die Aufmerksamkeit zunächst auf die Füße, dann die Unterbeine, die Knie… bis hin zum Kopf.
5. Eigene Bedürfnisse aufmerksam wahrnehmen. Im Alltag sind wir oft so mit unseren Aufgaben beschäftigt, dass unsere elementaren Bedürfnisse oft untergehen. Eine Möglichkeit, um gegenzulenken ist, sich die Frage anzugewöhnen: Was brauche ich gerade? Das können wir mehrmals am Tag tun oder auch besonders in Momenten, in denen wir merken, dass wir gestresst und belastet sind. Mögliche Antworten auf diese Frage können sein: Ein Glas Wasser, eine kurze Pause, mal wieder Atem holen, ein Telefonat mit einem*er guten Freund*in, mich kurz hinlegen und ausruhen, eine Umarmung… Welche kleine Sache kannst du in diesem Moment selbst tun, um dir ein Bedürfnis zu erfüllen – und dadurch aus dem Hamsterrad auszusteigen?
6. Pausen machen bzw. einhalten: Fast schon zur Definition von Achtsamkeit gehört, innezuhalten und dadurch das Karussell der Ereignisse, Gedanken und Gefühle zu unterbrechen. Wann war deine letzte Pause? Wie kannst du für einen Moment aus einer stressigen Situation aussteigen? Zum Beispiel indem du ein Fenster öffnest und die frische Luft atmest, durch einen kleinen Spaziergang oder auch durch eine Pause, in der du etwas trinkst oder isst. Mach es dir zu einer guten Gewohnheit, regelmäßige Pausen einzubauen, das kann auch am Morgen schon beginnen, wenn du statt wie gewöhnlich nach dem Aufstehen ins Bad gehst und später zur Arbeit startest, dir erst einmal eine kleine Zeit für dich nimmst, um dich freundlich zu begrüßen, etwas für dich zu tun oder für 5 Minuten deine Lieblingsmusik hörst…
7. Nichtstun: Ja, auch Nichtstun kann eine Achtsamkeitspraxis sein. :-) Eine der besten Möglichkeiten, um uns zu entspannen und zu entstressen ist, eine kurze Weile lang einfach nichts zu tun. Kennen viele von uns, machen wir aber dennoch häufig zu selten. Wann hast du das letzte Mal nichts getan und hast dich dafür selbst nicht verurteilt (mit Gedanken wie „ich bin faul“, „ich schaffe gar nichts“, „eigentlich sollte ich jetzt…“). Erlaube dir, unproduktiv und zweckfrei einfach Zeit zu verbringen. Das kann unter Umständen ein radikaler Befreiungsakt sein und deine gewohnten Muster auf den Kopf stellen. Zur Achtsamkeit gehört auch das Nichtreagieren, das bedeutet, weder auf die kritischen Stimmen im Kopf noch auf die scheinbaren Erwartungen von außen zu reagieren, und wahrzunehmen, wie es sich anfühlt.
8. Die eigenen Gedanken beobachten: Eine Möglichkeit, um Abstand von kritischen Stimmen und negativen Gedanken zu bekommen ist, die Gedanken bewusst zu beobachten. Also sich nicht den Stimmen im eigenen Kopf zu überlassen, sondern die auftauchenden Gedanken nacheinander zu identifizieren („Aha, da ist der Gedanke xy, interessant!“), ohne sie zu bewerten. Dadurch identifizieren wir uns nicht mehr mit unseren Gedanken (ich bin dieser Gedanken und er ist wahr“), sondern nehmen sie als das wahr, was sie sind, als reine Gedanken. Es braucht vielleicht etwas Übung, um sich auf diese Art von den Gedanken zu distanzieren, aber es genügt auch schon, sich beim nächsten Gedanken zu sagen: „Aha, das ist nur ein Gedanke“ und ihn dann bewusst wieder loszulassen.
9. Achtsamkeit in der Natur: Besonders leicht fällt es den meisten Menschen, in der Natur achtsam zu sein. Draußen fokussieren wir uns fast automatisch auf die umgebende Natur, grüne Wiesen, Bäume, frische Luft, oder auch unsere eigenen Bewegungen, unseren eigenen Rhythmus, der eben nicht getrieben ist und von außen vorgegeben wird. Unsere Aufmerksamkeit wird dadurch meist von selbst nach innen gelenkt und kommen wieder in Kontakt mit uns selbst. Wir gehen uns wieder frei; Spazierengehen ist dadurch oft auch ein Motor für unsere Kreativität, wenn unsere Gedanken eine Pause machen und wieder frei fließen können. Das Gehen selbst kann eine Achtsamkeitspraxis sein, aber auch der absichtslose Blick auf das, was schon da ist.
Diese 9 Schritte sind Möglichkeiten, um Achtsamkeit mehr im Alltag zu verankern. Sie sind als Anregungen zu verstehen – wenn du möchtest, beginne mit einem Impuls, der dich besonders anspricht. Du kannst dir auch eine Erinnerung einbauen, zum Beispiel „immer, wenn ich eine neue Aufgabe beginne, atme ich erst einmal dreimal durch“ oder oder oder… Viel Freude und Achtsamkeit mit dir und mit deinem Umfeld!
Sorgen loslassen – und gelassener werden
Unsere Tage sind vollgepackt, und das häufig nicht nur mit Aktivitäten und Aufgaben, die wir zu erfüllen versuchen, sondern darüber hinaus mit den Sorgen, die uns permanent beschäftigen. „Der Kuchen, den ich für eine Freundin backe, muss perfekt sein, sonst ist sie enttäuscht.“, „Wie lange halte ich dem Druck bei der Arbeit noch stand – aber wenn ich einen Urlaub beantrage, ist das Projekt gefährdet und mein Chef denkt, ich bin faul.“, „Ich muss mich unbedingt mal wieder bei meinen Eltern melden, die denken sonst ich habe sie vergessen.“, „Der Klimawandel wird immer schlimmer und wir können nichts dagegen tun.“
Solche oder ähnliche Sorgen können uns in einer Dauerschleife gefangen halten, die oft noch belastender ist, als unsere eigentlichen Aufgaben. Das Grübeln verbraucht so viel Energie, die uns für andere Dinge dann nicht mehr zur Verfügung steht. Häufig verlieren wir auch das Gefühl dafür, was wichtig ist und was nicht. Je mehr sich unser Blickfeld durch die Sorgen verengt, desto schwieriger erscheint es, aus dem Gedankenkarussell einfach auszusteigen. Und das obwohl wir wissen, dass viele der Sorgen irrational sind.
Die eigentliche Funktion unserer Sorgen und Ängste ist, uns wachsam werden zu lassen, und sie stellt uns Energie bereit, gegebenenfalls zu handeln und dadurch etwas Neues oder eine Veränderung zu schaffen, die wir anstreben. Zu viele Sorgen bewirken jedoch das genaue Gegenteil, sie blockieren und lähmen uns. Im Folgenden möchte ich daher Methoden und Übungen vorstellen, die hilfreich sind, um ein Übermaß der Sorgen zu stoppen und wieder handlungsfähig und gelassener zu werden.
1. Sich die Sorgen bewusst machen. Sich den Sorgen direkt zuzuwenden scheint das Gegenteil von dem zu sein, was wir uns wünschen, nämlich die Sorgen loszuwerden. Oft schwirren unsere Ängste jedoch nur halbfertig gedacht in unserem Kopf und wenn wir uns trauen, uns die sorgenvollen Gedanken einmal ernsthaft vor Augen zu führen und vollständig auszuformulieren, bemerken wir oft erst, dass sie irrational sind. Wir können uns fragen: Was könnte im schlimmsten Fall passieren? Wie wahrscheinlich ist das, was wir befürchten? Gibt es auch andere Möglichkeiten, wie es ausgeht? Das, was wir nicht sehen wollen, hat größere Macht über uns als das, was wir uns bewusst machen.
2. Es akzeptieren oder handeln. Wenn wir die Dinge (bzw. unsere Ängste) sehen können, wie sie sind, kann ein guter zweiter Schritt sein, sie zu akzeptieren, wie sie sind – die Umstände genauso wie unsere Ängste. Dabei hilft auch zu unterscheiden, welche Dinge ich beeinflussen kann und welche nicht in meiner Macht/Verantwortung stehen. Erkenne ich, dass ich etwas beeinflussen kann, kann ich mir überlegen, was meine nächsten Schritte sind und entscheide mich dafür, aktiv zu handeln. Falls ich nichts tun und verändern kann, sollte ich versuchen, es zu akzeptieren. Akzeptanz braucht häufig Zeit, man kann sie aber üben.
3. Stärke dein Selbstvertrauen! Der sorgenvolle Teil in uns flüstert uns oft zu: „das kannst du nicht.“, „dazu bist du zu klein/schwach/hilflos/unbedeutend.“, „das klappt ja nie.“ Erinnere dich daran, welche Probleme und Krisen du schon bewältigt hast, und sammle Beweise dafür, dass du stärker und mutiger bist, als dieser Teil es dir einflüstern will. Du könntest eine Liste schreiben mit schwierigen Situationen, die du schon gemeistert hast, und mit Erfolgen, auf die du stolz bist. Und du kannst in kleineren Situationen üben, die Herausforderung anzunehmen und durch sie hindurchzugehen. Erfolgserlebnisse, kleinere wie größere, stärken das Selbstvertrauen.
4. Zuversicht kultivieren. Eins meiner Lieblingszitate lautet: „Sei realistisch, erwarte ein Wunder.“ Wir haben alle ein wenig die Tendenz, schwierige Situationen schwarzzumalen und uns alle möglichen Horrorszenarien auszudenken. Es hat die Funktion, uns auf mögliche Gefahren vorzubereiten und uns zu schützen. Vorbereitung an sich ist nichts Negatives, wenn wir aber immer nur vom Schlechten ausgehen, das es zu vermeiden gilt, verhindern wir auch, dass wir positive Erfahrungen machen. Kannst du es dir erlauben, dir einen positiven Ausgang der Situation vorzustellen? Oder überwiegt dein Bedürfnis, das schlechte Ende und damit die Katastrophe, vorwegzunehmen?
5. Das Kopfkino stoppen. Um das Kopfkino zu beenden, kann es hilfreich sein, in deiner Fantasie zu deinem*er eigenen Held*in zu werden. Wie würden Supermann, Buddha oder Ronja Räubertochter mit der Situation umgehen? Was passiert in deiner Vorstellung, wenn du selbst in die Rolle deiner Lieblingsfigur trittst? Welche Energie entsteht in dir? Wärst du mutiger, größer, stärker oder hättest hilfreiche Superkräfte? Stell dir die Veränderung so anschaulich wie möglich vor, es muss nicht realistisch sein, bewirkt aber, dass uns neue Handlungsmöglichkeiten einfallen und die Herausforderung an Schrecken verliert.
6. Übung 1: Gepäck ablegen. Stell dir vor, du befindest dich auf einer Wanderung und trägst alle Sorgen, die dich belasten, in einem Rucksack mit. Der Weg führt bergauf und ist anstrengend, und du merkst, dass es Zeit wird für eine Pause. In der Ferne siehst du ein Licht, das dich anzieht und du gehst darauf zu und findest eine helle Lichtung, bei der es warm und friedlich ist. Vielleicht sind dort ein Tempel oder Bäume oder eine klare Quelle – du entscheidest, wie dieser Ort für dich aussieht. Hier machst du eine Weile Pause und lädst dein Gepäck ab. Wenn es sich für dich gut anfühlt, öffnest du den Rucksack, schaust hinein und entscheidest, was von den Gepäckstücken du wieder mitnehmen möchtest, und was du hierlassen möchtest. Gestärkt machst du dich auf den Rückweg und kannst fühlen, wie viel leichter dein Rucksack nun geworden ist…
7. Übung 2: Wie würde es sich anfühlen…? Eine andere Möglichkeit ist, den Körper eine neue Erfahrung machen zu lassen. Setz dich eine Weile gemütlich hin und schließe die Augen. Lenke deine Aufmerksamkeit nach innen und nimm erst einmal wahr, wie sich dein Körper gerade anfühlt. Wenn du soweit bist, richte nach innen, an deinen Körper die Frage: Wie würde es sich anfühlen, wenn ich alle meine Sorgen losgelassen habe? Es ist nicht notwendig zu wissen, wie das geschehen ist, sondern geh für den Moment davon aus, dass es bereits Realität ist. Wie würde es sich anfühlen? Denk auch nicht zu sehr darüber nach, wie es sich anfühlen würde, sondern nimmt wahr, wie es sich in diesem Moment körperlich für dich anfühlt.
Jetzt bist du dran. ;-) Wenn einer der Punkte dich angesprochen hat, probiere es aus und übe dich darin, die Sorgen loszulassen. Ich wünsche Dir viel Gelassenheit und Leichtigkeit!
No pressure! Wie wir besser mit Druck umgehen können
Everything that costs you your peace is too expensive. (Unbekannter Verfasser)
Im Posteingang warten Emails, die beantwortet werden müssen, die Familie möchte, dass du dich mehr kümmerst, und dann rückt auch noch der Abgabetermin des Textes, den du fertigstellen wolltest, immer näher… So oder so ähnlich können die Umstände sein, in denen der Druck, die Dinge erledigen zu müssen, allmählich steigt. Wenn es zu viel wird, empfinden wir innere Anspannung, einen Druck im Magen oder eine imaginäre Last auf den Schultern. Dabei können äußere Faktoren ebenso eine Rolle spielen wie innere, wie z.B. Erwartungen an dich selbst.
Zu viel Druck kann belasten, uns blockieren und auf Dauer sogar gesundheitsschädlich sein. Was aber hilft, uns vom Druck zu befreien und gelassen an die Dinge heranzugehen? Im ersten Schritt geht es sicher darum herauszufinden, was genau den Druck auslöst, also die Frage: Was steht zwischen mir und meiner Gelassenheit/Freude/Entspannung? Gibt es die Möglichkeit, die Aufgaben im Außen anders zu planen, um uns zu entlasten, oder entsteht der Druck, weil wir zu viel Verantwortung übernehmen oder ein zu hohes Ideal erfüllen wollen (um andere nicht zu enttäuschen)?
„Ich sollte schneller und produktiver sein, sonst denken die Kolleg*innen schlecht von mir“, „lieber mache ich es selbst, dann wird es besser“, „ich sollte netter zu Tante Frieda sein, sie hat es doch so schwer“… können z.B. unbewusste Erwartungen an uns selbst sein. Wenn wir diese Überzeugungen identifizieren, sehen wir unseren eigenen Anteil klarer und erhalten dadurch wieder mehr Kontrolle zurück. Wir können beginnen, unsere Einstellung zu hinterfragen: Stimmt das? Wäre das schlimm? Welche Konsequenzen hat das für mich? Will ich das wirklich?
Wenn wir erkennen, dass wir zu viel Verantwortung für andere mit übernehmen, ist es vielleicht an der Zeit, uns mehr freizuschwimmen, die Verantwortung wieder mehr zu teilen. Wie wäre es, wenn wir dem Partner zutrauen würden, dass er oder sie es mindestens genauso gut machen wird, wie wir? Können wir uns darauf einlassen, auch wenn wir nicht wissen, wie der andere sich verhält? Können wir dem anderen vertrauen, auch wenn das Ergebnis vielleicht anders ist, als wir es erwarten?
Welche praktischen Möglichkeiten gibt es darüber hinaus, um uns vom Druck zu entlasten?
1. Freiraum schaffen
Wir können uns bewusst Zeit nehmen und in uns hineinspüren, wo wir den Druck gerade verspüren. Bemerken wir z.B. einen Knoten im Bauch, ein Druckgefühl im Magen oder ist es ein Gedanke im Kopf? Wenn möglich nehme es für einen Moment wohlwollend wahr, ohne etwas zu verändern. „Aha, da ist also…“ Dann entscheide dich in deiner Vorstellung bewusst, dieses Gefühl oder den Gedanken in einen guten Abstand zu dir zu bringen. Gib ihm einen guten Ort, an dem sich aufhalten/aufbewahrt sein kann, wie beispielsweise ein Platz im Regal, ein Kissen oder eine Schachtel. Wenn du es in deiner Vorstellung dort hingestellt hast, spüre nach, wie es sich jetzt innerlich anfühlt.
2. Achtsamkeit
Für Fortgeschrittene: Wie beim Freiraumschaffen geht es darum, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken und das Druckgefühl im Körper zu lokalisieren. Ist es möglich, eine Weile einfach damit zu sein, nichts zu verändern, sondern einfach wahrzunehmen, was da ist? Was geschieht innerlich, wenn du mit deiner Aufmerksamkeit absichtslos in diesen Bereich bleibst? Verändert sich der Atem? Die Körperhaltung? Achte auf alle kleinen, feinen Veränderungen, die von selbst entstehen. Es ist möglich, dass sich dadurch von selbst etwas entspannt.
3. Innere Haltung
Wenn wir überzeugt sind, nicht gut genug zu sein, alles perfekt machen zu müssen oder die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen, lädt uns das zusätzlichen Druck auf. Welche innere Einstellung hindert uns am meisten? Wie würde es aussehen/sich anfühlen, wenn wir diese Einstellung nicht hätten? Eine Möglichkeit ist, sich dies in der Vorstellung so anschaulich wie möglich auszumalen/es körperlich zu fühlen. Eine weitere Möglichkeit ist, eine neue Haltung zu finden, die uns besser unterstützt, den Druck herausnimmt. „Ich möchte diese Aufgabe heute noch erledigen, aber wenn es nicht klappt, ist morgen auch noch ein Tag.“, „Ich vertraue auf mich und meine Fähigkeiten“, „Ich nehme es leicht und spielerisch.“
4. Was ist wirklich wichtig?
Wenn wir vor einer Herausforderung stehen und uns selbst Druck machen, verlieren wir oft den Blick für das Wesentliche. Ist es wirklich wichtig, jemand anderen zu beeindrucken – oder ist es wichtig, dass ich mit mir zufrieden sein kann? Ist unser Wohlbefinden wichtiger – oder ein perfektes Äußeres? Wie viel liegt mir daran, dass meine Wohnung perfekt aufgeräumt ist – oder ob ich einen schönen Abend mit Freunden verbringe, egal wie die Wohnung aussieht… Die Frage, was uns wirklich wichtig ist, kann uns dabei helfen, uns nicht nach scheinbaren Erwartungen auszurichten, sondern uns klar zu werden, was für uns persönlich zählt und diesen Dingen im Zweifel mehr Raum zu geben, während die unwichtigen Dinge wieder den (geringeren) Stellenwert bekommen, den sie verdienen.
5. Geduld, Geduld, Geduld – kleine Schritte
Auslöser für den Druck ist ebenfalls oft, dass wir uns zu viel vornehmen und den ganzen Berg auf einmal erklimmen möchten. Dadurch entsteht ein Gefühl Überforderung, das eher lähmt, als unterstützt. Aus dieser Falle kommen wir heraus, wenn wir uns statt auf das große Ziel, das wir erreichen möchten, wieder auf den nächsten kleinen Schritt konzentrieren. Statt uns den Druck zu machen, für einen Marathon zu trainieren, können wir auch erst mal damit beginnen, jeden Tag 10-15 Minuten entspannt zu laufen (das Gleiche gilt übrigens für Meditation). Statt gleich ein ganzes Buch verfassen zu wollen, ist es auch möglich, erstmal Ideen zu sammeln und dann mit einem Absatz anzufangen… Es fällt deutlich leichter und macht mehr Spaß, so dass sich auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wir dabeibleiben und es fertigstellen.
Ich wünsche dir viel Inspiration und eine frohe und gelassene Vorweihnachtszeit! Vielleicht war ja ein Gedanke dabei, den du für dich mitnehmen konntest…
P.S. Mit diesem Blogbeitrag habe ich mich entschieden, vom „Sie“ zum „du“ zu wechseln. Die persönliche Anrede erschien mir passend und leichter.
Die eigenen Bedürfnisse erkennen und sich erfüllen
Erkennen, welche Bedürfnisse wir haben und sie sich erfüllen – klingt leicht? Tatsächlich wissen viele Menschen nicht so genau, welche Bedürfnisse sie haben; auf die Frage, was sie brauchen, um sich wohlzufühlen, reagieren viele eher abweisend oder es fällt ihnen schwer, darauf zu antworten. Dass unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind, merken wir dagegen oft an einem Gefühl des Mangels oder an sogenannten negativen Gefühlen wie Wut oder Trauer.
Ein Grund dafür, dass es uns schwerfällt, unsere Bedürfnisse zu spüren und zu erkennen, kann in unseren Kindheitserfahrungen liegen. Je nachdem, wie in unserer Herkunftsfamilie mit Bedürfnissen umgegangen wurde, haben wir entweder gelernt, uns eigene Bedürfnisse zuzugestehen oder aber sie zu missachten. Wenn unsere Bedürfnisse von den Erwachsenen häufig übergangen wurden, ist es möglich, dass wir unsere Wünsche und Bedürfnisse später selbst unterdrücken und sie nicht äußern.
Welche Bedürfnisse gibt es überhaupt? Beispiele…
Besonders in Beziehungen merken wir, wenn unsere Bedürfnisse unerfüllt bleiben. Vielleicht ist ein/e Partner*in eher introvertiert und genießt einen entspannten Abend zu zweit, während der/die andere Partner*in lieber ausgeht und Freunde trifft. Aber auch wir selbst ignorieren manchmal unsere Bedürfnisse, z.B. wenn wir noch Überstunden machen, obwohl wir eigentlich eine Pause und Entspannung bräuchten… Weitere Beispiele für Bedürfnisse sind:
Nahrung – Ich möchte essen/trinken.
Sicherheit – Ich möchte sicher sein.
Selbstbestimmung – Ich möchte selbst entscheiden, was ich tue und wie ich es tue.
Respekt – Ich möchte, dass mein Wert und meine Bedeutung gesehen werden.
Geborgenheit – Ich möchte geborgen sein.
Liebe – Ich möchte geliebt werden und lieben.
Verbundenheit – Ich möchte mit anderen verbunden sein.
Spaß – Ich möchte mich freuen und lachen.
Alleinsein – Ich möchte allein sein.
Leichtigkeit – Ich möchte, dass es leicht und unkompliziert geht.
Vertrauen – Ich möchte in etwas/jemanden vertrauen.
und viele mehr…
Warum ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu kennen?
Um ein zufriedenes und erfülltes Leben zu führen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere Bedürfnisse anerkennen. Wir sind glücklicher und ausgeglichener, wenn wir auf unsere Bedürfnisse achten und sie uns erfüllen. Wir leben dadurch wahrscheinlich sogar gesünder. Wir haben mehr Energie und sind motivierter, unsere Ziele zu erreichen und unser Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten.
Unsere Beziehungen sind stabiler, dauerhafter und freudvoller, wenn wir unsere Bedürfnisse im Blick behalten – entgegen der gebräuchlichen Auffassung, dass wir unsere Partner*innen glücklich machen, indem wir unsere Bedürfnisse zurückhalten. Sicher kommt es auf das Maß an, aber wenn wir gut für uns selbst sorgen und die Verantwortung für unsere Bedürfnisse übernehmen, profitiert davon letztlich auch unsere Partnerschaft.
Wie finde ich mehr über meine Bedürfnisse heraus?
Der Weg, um mehr über die eigenen Bedürfnisse herauszufinden, führt über Fragen und Selbstbeobachtungen. Die zentrale Frage, die wir uns stellen können, ist: Was brauche ich in diesem Moment? …und uns die Zeit geben, die Antwort darauf zu finden. In welchen Momenten bemerken wir, dass wir glücklich und zufrieden sind und worauf führen wir das zurück? Wann bemerken wir das Gegenteil? Was gibt und Energie und was nimmt sie uns eher? Wann haben wir uns zuletzt rundum wohl gefühlt und Freude empfunden? Die Antworten auf diese Fragen bringen uns wieder mehr in Kontakt mit unseren Bedürfnissen.
Auch unser Körper gibt uns gute Hinweise darüber, wie es uns geht und was wir gerade brauchen. Wir fühlen z.B. einen Druck im Magen – und wenn wir es aufmerksam wahrnehmen, finden wir heraus, was die dahinterliegende Ursache dafür ist. Oder uns wird ganz warm ums Herz – etwas berührt uns und wir bemerken, wonach wir uns heimlich sehnen und was uns (noch) fehlt. Eine gute Übung ist, sich etwas Zeit für sich selbst zu nehmen und unserem Körper Aufmerksamkeit zu schenken. Welche Empfindungen und Signale sind da, die wir sonst übergehen? Was täte auch unserem Körper jetzt gut? Vielleicht brauchen wir einfach ein paar Atemzüge oder dass wir uns selbst liebevoll in den Arm nehmen, um unsere innere Stimme wieder zu hören.
Wenn Sie bestimmte Gefühle bei sich bemerken, wenn Sie zum Beispiel sehr wütend sind, weil Sie in Eile waren und jemand hat Ihnen den Parkplatz weggeschnappt, können Sie innehalten und das Gefühl einen Moment zulassen. Halten Sie es aus, wütend und frustriert zu sein und fragen Sie sich, was das hinter dem Gefühl befindliche Bedürfnis ist. Was brauchen Sie in diesem Moment? Vielleicht kommt als Antwort, dass Sie mehr Freizeit brauchen, damit Sie nicht ständig in Eile sind. Oder der andere sollte mehr Respekt haben. Oder Sie haben ein Bedürfnis nach mehr Schlaf, damit Sie nicht immer so kaputt sind. Sie werden so zu Ihrem eigenen Bedürfnisforscher.
Last but not least: Bedürfnisse äußern
Dieses Thema würde wohl einen eigenen Blogbeitrag verdienen… Wenn wir es nicht gewohnt sind, fällt es uns schwer, unsere Bedürfnisse auch nach außen zu kommunizieren. Es beginnt bei der inneren Klarheit darüber, was ich brauche – und wenn andere dabei involviert sind, egal ob Partner*in, Familie, Vorgesetzte, Kollegen oder Freunde, sollten wir uns ihnen mitteilen, weil sie sonst nicht wissen können, wie es in uns aussieht. Sie verlassen sich darauf, dass wir ihnen gegenüber ehrlich sind – und es ist auch unser Job, uns für unsere Bedürfnisse einzusetzen.
Es kann bedeuten, dass wir lernen müssen, unsere Grenzen zu kommunizieren, d.h. zu sagen, was wir wollen und was nicht. Wir können ihnen mitteilen, wie es uns damit geht, was wir fühlen und für uns selbst möchten, und dann gemeinsam mit ihnen klären, ob es für beide passt oder ob gemeinsam eine andere Lösung gefunden werden muss. Die andere Person ist nicht dazu da, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Aber genauso wenig erhält es die Beziehung, wenn eine Person sich ständig unterordnet. Dagegen kann es die Beziehung bereichern, wenn beide Seiten ihre Bedürfnisse rechtzeitig äußern.
Erforschen Sie Ihre Bedürfnisse. Finden Sie heraus, was Sie brauchen und was Sie erfüllt. Ich wünsche Ihnen interessante und inspirierende Entdeckungen!
Den Selbstwert stärken
Ich zuerst, und dann die anderen
Die beste Definition zum Selbstwert, die ich kenne, ist: sich selbst wichtiger zu nehmen als die anderen. Mit anderen Worten: die eigenen Ziele, Bedürfnisse, Gefühle, an die erste Stelle zu setzen. Und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen. Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl sind durchaus hilfsbereit und respektvoll gegenüber den Bedürfnissen anderer, jedoch vergessen sie darüber sich selbst nicht.
Im ersten Moment klingt es vielleicht ungewohnt und egoistisch. Die eigenen Interessen über die von anderen stellen? Schaden wir damit nicht vielleicht sogar anderen und verhalten uns genauso, wie wir es bei bestimmten Menschen ablehnen (egoistisch, kalt, hartherzig)? So oder so ähnlich können Befürchtungen lauten. Das Gegenteil ist der Fall. Diejenigen, die sich zuerst um sich und ihre Bedürfnisse kümmern (sich selbst wichtiger nehmen), schaffen dadurch erst die Basis für mehr Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Im besten Fall inspirieren sie andere, ebenfalls Verantwortung für ihre Bedürfnisse zu übernehmen.
Beruflich könnte ein hoher Selbstwert bedeuten: Ich mache einen Job, der zur mir und meinen Fähigkeiten passt und der mir Freude macht. Es ist mir wichtig, von meinen Kollegen und Vorgesetzten geschätzt zu werden und ich stehe für diese Wertschätzung ein. Aufgaben (eine Tätigkeit), die weit über oder deutlich unter meinen Anforderungen liegen, kann ich jederzeit ablehnen.
Privat kann es bedeuten: Ich setze mich für meine Bedürfnisse ein, auch wenn mein Partner/meine Partnerin andere hat. Dazu kommuniziere ich meine Bedürfnisse, d.h. ich sage, was ich will und was nicht, und gehe nicht davon aus, dass mein*e Partner*in es schon wissen muss. Ich übernehme die Verantwortung für meine Wünsche und Bedürfnisse und setze mich dafür ein, ohne einen Konflikt zu scheuen.
Wenn Sie Ihr Selbstwertgefühl stärken und einen gesunden Egoismus entwickeln möchten, stellen Sie sich die folgenden Fragen: Wie sehr trete ich aktuell für meine Bedürfnisse und Ziele ein? Wo stecke ich (noch) zurück? Bei welchen Menschen/in welchen Situationen fällt es mir schwer, mich selbst an die erste Stelle zu setzen? Was könnte passieren, wenn ich mich selbst wichtiger nehme? Will ich, dass es so bleibt, weil es o.k. für mich ist, oder will ich etwas ändern, mehr zu mir stehen?
Ärger und Wut können in konkreten Situationen Anzeichen dafür sein, dass Ihre Grenzen überschritten werden und Ihr Selbstwertgefühl bedroht ist. Die Wut hat dann die Funktion, uns Energie bereitzustellen, unsere Grenzen (unsere Selbstidentität) zu verteidigen. Sie zeigt uns das Bedürfnis an, uns selbst anzunehmen und ganz „Ja“ zu uns zu sagen.
Die eigenen Fähigkeiten kennen und dazu stehen
Zu einem hohen Selbstwertgefühl gehört auch, die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten zu kennen und bei Bedarf ins rechte Licht zu rücken. Wer weiß, was er kann, und sogar stolz auf sich ist, fühlt sich als Mensch automatisch wertvoller und vergleicht sich wahrscheinlich auch seltener. Der innere Kritiker, der unser Selbstwertgefühl ebenso torpediert, wird dadurch ebenfalls leiser. Und bei Verhandlungen treten Sie weitaus selbstsicherer auf, wenn Sie Ihre Stärken kennen und bewusst hervorheben.
Um Ihre Fähigkeiten und Stärken kennenzulernen, fragen Sie sich: Worauf sind Sie in Ihrem Leben bisher richtig stolz? Was können Sie richtig gut? Wo setzen Sie diese Fähigkeiten bislang ein? Wo könnten Ihnen diese Fähigkeiten noch hilfreich sein? Fragen Sie auch Freunde und Kollegen, denen Sie vertrauen, was sie an Ihnen besonders schätzen.
Können Sie Ihre Fähigkeiten gut benennen und auch annehmen, was Ihre Freunde an Ihnen wertschätzen? Oder fällt es Ihnen eher schwer, zu glauben, was Sie hören? Zum Selbstwert gehört dazu, Ihre Erfolge und Fähigkeiten anzuerkennen, ebenso, wie die Schritte dorthin. Beobachten Sie sich im Alltag und fügen Sie täglich etwas auf Ihrer Liste hinzu, das sie gut können. Wenn Sie möchten, halten Sie diese Eigenschaften in einem Anerkennungs-Tagebuch fest.
Sich selbst annehmen
Unser Selbstwertgefühl kann immer wieder herausgefordert werden. Durch äußere Kritik: wenn andere nicht einverstanden damit sind, wie wir uns entwickeln oder sie einfach andere Bedürfnisse und Gefühle haben (das ist ihr gutes Recht!). Oder durch innere Stimmen, die uns zügeln wollen: „Nimm dich nicht so wichtig!“, „Das schaffst Du nie.“ Dann ist es wichtig, anzuerkennen, dass es nicht unsere Aufgabe ist, die Erwartungen von außen (und auch von innen) zu erfüllen – in den meisten Fällen können wir das auch gar nicht.
Wenn wir unbewusst versuchen, allen Erwartungen gerecht zu werden, kann die Absicht dahinterstehen, dass wir geliebt und akzeptiert werden wollen. Unser Selbstwertgefühl befreit uns jedoch davon, dass wir uns nach Erwartungen zu richten, und fragt eher danach, was für uns selbst stimmig ist. Es kann bedeuten, dass wir mehr emotionale Distanz zu jemandem benötigen, dessen Erwartungen wir glauben erfüllen zu müssen. Sie können sich selbst klar machen, dass Sie für Ihre und der andere für seine Gefühle und Bedürfnisse verantwortlich ist.
Der Weg, um sich von einer unbewussten Erwartungshaltung zu befreien und sich innerlich zu stärken, ist, sich selbst so anzunehmen, wie man ist. Sagen Sie sich selbst beispielsweise: „Ich bin okay, wie ich bin.“, „Ich stehe hinter dem, was ich gemacht habe oder wie ich bin.“, „Ich bin genug“. Ein besseres Selbstwertgefühl bauen Sie nicht an einem Tag auf – gehen Sie langsam und in kleinen Schritten vor. Nehmen Sie wahr, wenn Ihnen etwas gut gelingt.
Ich wünsche Ihnen viel Mut und Freude bei der Stärkung ihres Selbstwerts!
Der Stimme des Körpers zuhören
Im Alltag sind wir es meist gewohnt, unsere Sinne nach außen zu richten, die Dinge in den für uns typischen Mustern zu erledigen und uns eher kognitiv leiten zu lassen. Unsere Gedanken und Meinungen zu etwas geben eine Richtung an. Sehr viel seltener richten wir unsere Wahrnehmung nach innen, in unseren Körper, und hören aufmerksam zu, wie unser Körper gerade gestimmt ist oder auf die aktuelle Situation reagiert. Obwohl es mittlerweile populär ist, vom „Bauchhirn“ mit seinen etwa hundert Millionen Nervenzellen zu sprechen, achten wir den größten Teil des Tages nicht auf unsere Köperempfindungen.
Wenn wir unsere Wahrnehmung zu sehr nach außen richten, kann es passieren, dass wir den Kontakt zu uns selbst verlieren und zu sehr darauf hören, was „man“ bzw. Andere für richtig halten. Oder wir verlieren uns in vielen Ideen, ohne so recht zu spüren, was wir eigentlich wollen. Dabei wissen wir meist, dass nicht nur der Kopf einverstanden sein, sondern auch das Körpergefühl stimmig sein muss, damit wir uns mit unserem Handeln und unseren Entscheidungen wohl fühlen. Es lohnt sich, innezuhalten und zu erforschen, wie unser Körper reagiert – vor allem, wenn wir selbstbestimmt leben wollen.
Wie kann das aussehen? In welchen Situationen ist es hilfreich, den Signalen des Körpers aufmerksam zuzuhören? Es gibt mit Sicherheit verschiedene Wege, um wieder in Kontakt mit unserer inneren Stimme zu kommen. Und das nicht erst nach einer zehnjährigen Meditationspraxis. ;-) Es kann uns in allen möglichen Situationen helfen, beispielsweise wenn wir überfordert sind, eine Entscheidung treffen wollen, überwältigende Gefühle haben, bei Konflikten, wenn unsere Kreativität wieder fließen soll, oder wir uns aus einer negativen Gedankenspirale befreien wollen.
Eine Möglichkeit, die ich vor allem empfehle, wenn wir überfordert sind oder von Gefühlen überwältigt werden, ist die achtsame Wahrnehmung von dem, was ist. Das ist vielleicht die Basis-Übung, mit der wir wieder in Kontakt mit unserem Körperempfinden kommen und unsere Aufmerksamkeit wieder in uns selbst verankern können. Schritt 1: Innehalten, vielleicht einmal Durchatmen – Schritt 2: Lokalisieren: Was in meinem Körper braucht gerade meine Aufmerksamkeit und wo nehme ich es wahr? – Schritt 3: eine Zeit lang damit verweilen, es aufmerksam beobachten, ohne etwas zu verändern.
Indem wir uns diese Zeit gönnen und den Empfindungen und Gefühlen in unserem Körper Aufmerksamkeit schenken, kann sich womöglich schon etwas ein klein wenig verändern oder lösen. Das ist jedoch nicht das Ziel, sondern genießen Sie einfach die kleine Zeit, die Sie sich für sich selbst genommen haben…
Im Focusing nach Eugene T. Gendlin arbeiten wir mit dem Felt Sense, der über ein Gefühl im Körper (z.B. Ärger, Aufregung, Trauer) oder die unmittelbare Körperempfindung (z.B. Druck im Bauch, Spannung im Nacken) hinausgeht. Der Felt Sense ist eine Art Hintergrund-Erleben (neurobiologisch gesprochen), die somatische Resonanz auf ein Thema oder eine Wahrnehmung. Er ist noch kein bestimmter Gedanke, kein Bild oder ein identifizierbares Gefühl. Vielmehr ist er die noch vor-begriffliche, unbestimmte innere Ganzheitswahrnehmung eines Themas.
Diese ursprüngliche Resonanz wird im Focusing angefragt, indem wir zunächst „das Ganze eines Themas X“ auf uns wirken lassen. Es kann eine Zeit lang dauern (10-30 Sek.), bis ein Felt Sense dazu entsteht, der als Ganzheit und nur vage spürbar ist. Er umfasst die Bedeutung des Themas für eine Person in aller Fülle und Tiefe. Der Felt Sense kann zu allen möglichen Themen und Fragen, die wir haben, angefragt werden, so dass diese Themen nicht auf gedanklicher Ebene behandelt werden, sondern eine dahinter liegende, ganzheitliche Resonanz entsteht. Wenn wir uns Zeit nehmen, damit zu verweilen, können daraus weitere Symbolisierungen, Bilder, Worte, Gefühle etc. hervorsteigen.
Einladung zum Innehalten. Vielleicht haben Sie Lust auf ein kleines Experiment. Dann lade ich Sie ein, sich an ihren letzten Urlaub zu erinnern und innerlich das Ganze dieses Urlaubs anzufragen. Nehmen Sie alles zusammen, die Landschaft, das Wetter, Ihre Unterkunft, Ihre Begleitung, die Anreise und Ihre Unternehmungen etc. Wenn Sie all dies zusammennehmen und Ihre Aufmerksamkeit nach Innen lenken, Richtung Brust- und Bauchraum, welche innere Atmosphäre, welches Erleben nehmen Sie wahr?
Die Schritte im Focusing: das Ganze eines Themas aufrufen – einen Felt Sense dazu entstehen lassen – daraus Worte, Bilder Gefühle etc. hervorsteigen lassen – und weitere Fragen an den Felt Sense richten -, die hier sicherlich verkürzt dargestellt sind, bilden einen weiteren Weg, um unsere innere Weisheit zu entdecken und eigene Antworten und Lösungsschritte auf unsere Fragen und Probleme zu finden.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Zeit finden, um innezuhalten und aufmerksam zu sein für die Botschaften und die Weisheit Ihres Körpers. Manchmal genügt es schon zu fragen: Was nehme ich jetzt gerade innerlich wahr? Was in mir will gerade meine Aufmerksamkeit? Manchmal muss es sicherlich auch tiefer gehen und braucht vielleicht eine Begleitung. Viel Freude bei der Entdeckung Ihrer inneren Stimme.
Selbstmitgefühl – ein achtsamer Umgang mit den eigenen Gefühlen
Ängste, Reizbarkeit, Wut oder Traurigkeit – wenn wir negativ empfundene Gefühle bei uns bemerken, reagieren wir darauf meistens wie auf unliebsame Gäste, die wir schnellstens wieder loswerden möchten. Unbewusst haben wir gelernt, dass es ungehörig ist, Aggressionen zu zeigen, und dass Traurigkeit zu einer depressiven Stimmung führen kann. Wir wollen Angst, Wut, Trauer etc. nicht ausgeliefert sein und versuchen deshalb, sie zu unterdrücken und möglichst nicht zu fühlen.
Häufig befürchten wir, dass die Gefühle intensiver werden und nicht mehr weggehen. Also dass wir wie in einem Meer der Traurigkeit versinken oder dass unsere Aggressionen anhalten und für uns und andere zerstörerisch wirken. Dagegen sprechen jedoch neuere Forschungsergebnisse, wie die der Neurologin Jill B. Taylor, die besagen, dass die meisten starken Empfindungen unseres Gehirns nach gut 90 Sekunden so weit abklingen, dass wir wieder ‘normal’ denken und handeln können.
Es bedeutet, dass die meisten Gefühle von selbst wieder verschwinden können – wenn es uns gelingt, sie zeitweise anzunehmen und auch wieder loszulassen. Was jedoch meistens passiert, ist, dass wir gegen die unerwünschten Gefühle ankämpfen, Widerstand leisten und Angst vor ihnen entwickeln. Das führt im Gegenzug nur dazu, dass auch die Gefühle mehr Widerstand leisten und dass wir länger an ihnen festhalten und uns mehr in sie verstricken, als wir eigentlich wollen.
Wie kann es gelingen, auch unangenehme Gefühle anzunehmen? Den wirksamsten Weg, den ich kenne, ist, die Gefühle achtsam als eine körperliche Empfindung wahrzunehmen. Das kann sich erstmal kontraintuitiv anfühlen – wenn sich etwas unangenehm anfühlt, ist unsere spontane Reaktion, es wegzudrücken und es nicht haben zu wollen, statt sich dem aufmerksam und ohne zu werten zuzuwenden. Aber genau das meint die achtsame Wahrnehmung: sich die Zeit zu nehmen, sich dem Gefühl zuzuwenden und es im Körper zu spüren.
Wie wendet man sich einem unangenehmen Gefühl im Körper zu?
Wir können beobachten, wo im Körper das Gefühl am stärksten zu spüren ist: Fühlt es sich eher an wie ein Druck im Magen, ein Kloß im Hals oder wie eine Traurigkeit hinter den Augen? Wie würden wir es beschreiben, ist es eher groß oder klein, hart oder weich, fest oder fließend? Welche Temperatur hat es? Ist es hell oder dunkel oder hat es eine bestimmte Farbe? Es geht darum, in Kontakt damit zu sein, es interessiert und wohlwollend wahrzunehmen.
Geben Sie dem Gefühl und sich selbst eine Zeit lang ihre volle Aufmerksamkeit – anders als im Alltag, wo wir schnell über uns selbst hinweggehen. Es muss dabei nichts passieren, es gibt kein Ziel zu erreichen, außer mit Ihnen und Ihrem Inneren in Kontakt zu sein. Vielleicht entsteht ein Bild, vielleicht kommen auch Botschaften, die Sie sonst überhören. „Ich kann nicht mehr.“, „Das finde ich blöd.“, „Das hat mich verletzt“… oder ganz andere. Hören Sie einfach freundlich und aufmerksam dem zu, was immer auftaucht.
Bleiben Sie einfach eine Weile mit Ihrer Aufmerksamkeit dort und verweilen Sie einfach mit dem was ist. Sie können zwischendurch immer mal wieder nachspüren, ob sich etwas verändert, wenn Sie Ihre Gefühle körperlich wahrnehmen. Sich so Ihren Gefühlen zuzuwenden bedeutet nicht, sich darin zu verlieren. Vielmehr haben Ihre Gefühle eine Chance, sich zu wandeln und abzufließen, wenn sie aufmerksam wahrgenommen werden.
Sie können sich das Gefühl auch vorstellen wie ein kleines Kind, dem Sie sich hier und jetzt liebevoll zuwenden. Wie würden Sie mit einem Kind sprechen, das sich momentan so fühlt? Welches Mitgefühl und welchen Trost würden Sie ihm schenken? Gibt es eine Geste, die jetzt guttun würde? Vielleicht möchten Sie ihm mitteilen, dass Sie da sind und ihm zuhören; vielleicht möchten Sie ihm auch einfach eine Weile Gesellschaft leisten.
Wenn Sie sich Ihren Gefühlen so achtsam zuwenden, entsteht eine Grundhaltung, die fragt: Wie kann ich mich selbst in diesem Moment beruhigen und trösten? Selbstmitgefühl ist das Gegenteil davon, sich selbst innerlich Druck zu machen oder etwas an Ihnen abzulehnen. Stattdessen nehmen Sie ihre Gefühle und sich selbst liebevoll an.
Zuletzt noch ein Tipp: Wenn die Gefühle besonders intensiv und schwer auszuhalten sind, gehen Sie langsam vor. Nehmen Sie den Widerstand wahr und drängen Sie sich nicht, ihre Grenzen zu überschreiten. Oft hilft es, sich zunächst am äußeren Rand der Empfindung aufzuhalten und erst weiterzugehen, wenn es sich sicher und erträglich anfühlt.
Ich wünsche Ihnen viele Freude bei der Erforschung Ihrer Gefühle und einen liebevollen, mitfühlenden Umgang mit sich!
Einmal die Perspektive wechseln – eine Weisheitsgeschichte
Wenn ich mich in einer herausfordernden Situation befinde, mich darin wie gefangen fühle und erstmal keinen guten Ausgang sehe, hilft mir die folgende Geschichte, die Perspektive – vielleicht nur für einen Moment – zu ändern:
Ein Bauer hatte ein Pferd, aber eines Tages lief es fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!”. Aber der Bauer antwortete: “Wer weiß, wozu es gut ist?”
Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. “So viel Glück!” riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte: “Wer weiß, wozu es gut ist?”
Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, eines der wilden Pferde zu reiten – aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder: “Wer weiß, wozu es gut ist?”
Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: “Was für ein Glück, dass dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!” freuten sich die Nachbarn.
“Wer weiß, wozu es gut ist?”
(Verfasser unbekannt)
Die Geschichte erinnert mich daran, ein Stück weit loszulassen – die Situation mehr so zu akzeptieren, wie sie ist, und darauf zu vertrauen, dass es einen Sinn hat, auch wenn ich ihn jetzt noch nicht sehen kann.
Ich wünsche uns allen viel Inspiration, Weisheit und gute Geschichten!