Wer kennt nicht solche – oder vergleichbare – Situationen: Ein Kollege (Freund/in, Vorgesetzte/r, Partner/in etc.) bittet uns um einen Gefallen. Beispielsweise sollen wir ihm bei der Vorbereitung einer wichtigen Präsentation helfen, die er am nächsten Tag halten muss. Dafür müssten wir aber unseren Feierabend verschieben und auch sonst ist der Kollege dafür bekannt, dass er die Dinge gern erst kurz vor Schluss erledigt…
Ich bin Viele
Während wir noch überlegen, wie wir auf die Bitte unseres Kollegen reagieren sollen, melden sich unterschiedliche Stimmen in uns:
„Ich habe mich schon so auf den Feierabend gefreut, jetzt schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig zum Sportkurs.“
„Immer das Gleiche mit ihm; der will mich nur ausnutzen. Ich helfe ihm auf keinen Fall!“
„Klar helfe ich ihm! Es macht mir Spaß und gibt mir ein gutes Gefühl, anderen zu helfen.“„Die Präsentation morgen ist wichtig für unser Unternehmen; wenn er eine schlechte Präsentation hält, fällt das auf uns zurück.“
In Sekundenbruchteilen läuft dieser innere Dialog ab, der uns aber oft nicht bewusst wird. Seit einigen Jahren gehen Psychologen davon aus, dass unsere Seele aus verschiedenen Teilpersönlichkeiten besteht, die in einer solchen Situation für das Gewirr der Stimmen verantwortlich sind.
Jede der inneren Persönlichkeiten oder Anteile verfolgt ein eigenes Ziel und hat eigene Bedürfnisse – deshalb ist es nur verständlich, dass wir uns in manchen Situationen innerlich zerrissen und unfähig zu handeln fühlen. Nach außen hin führt es dazu, dass wir unserem Gegenüber keine klare Botschaft vermitteln können.
Wie geht man mit der inneren Pluralität um?
Ein erster Schritt, um den inneren Dialog und damit die Kommunikation nach außen zu verbessern, ist, sich die eigenen Teilpersönlichkeiten bewusst zu machen und die Stimmen zu identifizieren: Wie viele inneren Stimmen gibt es? Welche Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse vermitteln sie? Welche Ziele verfolgen die inneren Stimmen?
Jede Teilpersönlichkeit hat eine Botschaft, die je nach Situation lauter oder leiser wahrgenommen werden kann. Überlegen Sie mal, welche typischen Sätze tauchen auf – und wer könnte das sagen? Hilfreich ist, den inneren Anteilen, je nachdem wofür sie stehen, einen Namen zu geben: das schüchterne Ich, das selbstbewusste Ich, der gut für sich Sorgende, die Perfektionistin, der innere Antreiber, die Hilfsbereite, der Solidarische etc.
Im Idealfall erkennen wir die positive Absicht, die hinter allen unseren inneren Stimmen steckt, und freunden uns vielleicht sogar mehr mit einem Teil von uns an, den wir bisher eher abgelehnt haben.
Nehmen Sie sich doch etwas Zeit, um Ihre inneren Teilpersönlichkeiten herauszufinden und zu hören, was sie Ihnen sagen wollen. Oft erreichen Sie dadurch schon eine größere Klarheit und erkennen, was Sie nach außen kommunizieren möchten.
Literatur:
- Friedemann Schulz von Thun, „Miteinander reden: 3. Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation“, Reinbek bei Hamburg 1998.