Weil das Thema viel mit mir zu tun hat und weil ich als Coach häufiger danach gefragt werde, möchte ich den aktuellen Blogbeitrag dem Thema Hochsensibilität widmen. Lange war mir selbst nicht klar, dass Menschen eine so verschiedene Wahrnehmung haben können und Situationen vollkommen anders erleben. Für mich war typisch, dass ich viele Dinge gleichzeitig spüre und wahrnehme, ein gutes Gefühl für alles Zwischenmenschliche besitze und ein empfindliches Gehör für Klänge habe.
Das sind einige typische Eigenschaften von Hochsensibilität – die jedoch nicht für jeden hochsensiblen Menschen alle gleich zutreffen müssen. Die meisten Hochsensiblen nehmen jedoch sehr differenziert wahr, das heißt wenn sie beispielsweise einen Raum betreten, erfassen sie die darin anwesenden Menschen, ihre Stimmungen, das Gesagte, aber auch zum Beispiel die Proportionen des Raumes, die Temperatur, Farben, einen Luftzug oder ob es eher stickig in dem Raum ist. Bei bestimmten Reizen kann das Erleben besonders intensiv sein, zum Beispiel bei Geräuschen oder Gerüchen, vor allem aber bei allen ‚Schwingungen‘, die zwischen Menschen entstehen, bei Gefühlen und leisen Zwischentönen.
Nicht-Hochsensible betreten den gleichen Raum und sehen möglicherweise das Gleiche, jedoch fallen ihnen nicht so viele Feinheiten und Unterschiede auf, das heißt sie reagieren nicht so empfänglich auf die Reize. Mit anderen Worten: In der gleichen Situation und bei ein und demselben Reiz kann das Erregungsniveau des Nervensystems bei Hochsensiblen höher als bei Nicht-Hochsensiblen sein. Das Wort ‚hochsensibel‘ ist vor diesem Hintergrund etwas irreführend: Im Englischen wird der Begriff ‚highly sensitive person‘ (‚hochsensitiv‘) verwendet, der eher den Zusammenhang zur Wahrnehmung von Sinnesreizen herstellt.
Die Qualität hochsensibel zu sein, hat auch Schattenseiten: Hochsensible sind oft dünnhäutig, sie reagieren empfindsam auf äußere Einflusse, die Reize in der Außenwelt, aber auch ihre eigenen Gefühle und Gedanken können ihnen zuviel werden, sie sind mitunter schneller erschöpft und sie brauchen oft mehr Zeit, die Dinge zu verarbeiten. Und ich kenne fast keinen Hochsensiblen, für den es nicht schwierig ist, sich gut abzugrenzen. Man könnte auch sagen, dass sie lernen müssen, angemessen auf sich und ihre Sensibilität zu achten. Schwierig wird es vor allem dann, wenn sie diese Eigenschaft bei sich selbst ablehnen.
Seitdem ich mich mehr mit dem Thema beschäftige, ist mir jedoch ebenfalls sehr klar geworden, dass Hochsensibilität eine großartige Stärke ist: Ich habe eine feinere Wahrnehmung für andere und für mich selbst. Das trägt auch zu einer starken Intuition bei, einfach weil ich halb bewusst, halb unbewusst viel mehr Informationen aufnehme und weiterverarbeite. Daraus entwickelt sich oft ein gutes Gespür und eine Klarheit, ohne genau sagen zu können, woher es kommt. Hochsensible haben zudem häufig viele kreative Eigenschaften, nicht umsonst sind vor allem viele Künstler, Schriftsteller und Erfinder hochsensibel.
Hochsensibilität ist nicht gleich Introvertiertheit, ist nicht gleich Schüchternheit, ist nicht gleich Unsicherheit oder Angst
Last but not least noch ein Wort zu den häufigsten Vorbehalten, denen Hochsensible begegnen. Hochsensibilität ist nicht gleichbedeutend mit Introvertiertheit. Natürlich können hochsensible Menschen auch introvertiert sein und dazu neigen, leise und nach innen gekehrt zu sein. Es gibt aber ebenso extrovertierte Hochsensible, die zwar sensibel auf innere und äußere Reize reagieren, aber trotzdem großen Spaß daran haben, neue Menschen kennenzulernen und Teil einer Gruppe zu sein. Von ihrer Umwelt kann Hochsensiblen (aus Unwissenheit) gespiegelt werden, sie seinen besonders schüchtern oder ängstlich – eine feinere Wahrnehmung und ein auf Hochtouren arbeitendes Nervensystem sagen jedoch nichts darüber aus, ob sie in sozialen Situationen besonders schüchtern reagieren.
Hochsensibilität ist eine Eigenschaft von vielen, die eine Person auszeichnen können. Es ist sehr wertvoll, sie besser kennenzulernen und sogar zu nutzen, weil Sie durch diese Seite einen ganz individuellen, besonderen Beitrag in die Welt bringen.
Wenn Sie neugierig auf das Thema geworden sind, empfehle ich ihnen gern das Buch von Elaine Aron: Sind Sie hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen, München 2005.
Teilen Sie mir gern Ihre Meinung und Gedanken zum Thema Hochsensibilität mit!